ÖPNV auf dem Land: Lieber Auto statt Bus und Bahn

Stand: 24.09.2024, 17:26 Uhr

In Ennigerloh verlässt man sich auf das Auto statt aufs Deutschlandticket, Bus oder Bahn. Schuld sind die schlechten Verbindungen.

Von Jörn Kießler

Bei "WDR aktuell auf Tour" besuchen Reporterinnen und Redakteure vom WDR drei Städte in NRW. Los ging es am 24. September in Ennigerloh. Auf den Impuls eines Bürgers hin hat unser Online-Reporter sich auf die Suche nach dem öffentlichen Nahverkehr in der münsterländischen Stadt gemacht. Eine Reportage von vor Ort.

Reporter Jörn Kießler testet den öffentlichen Nahverkehr in Ennigerloh und Region. | Bildquelle: WDR/Jan Knoff

Von Tönnishäuschen bis nach Ennigerloh sind es Luftlinie 7,6 Kilometer. Mit dem Auto braucht man laut Google Maps zwölf Minuten von dem kleinen Ahlener Stadtteil bis in die Stadt im Kreis Warendorf. Will man hingegen mit dem Bus fahren, sollte man wesentlich mehr Zeit einplanen. Denn der R33 kommt nur einmal pro Stunde an der Haltestelle Kapelle vorbei. In unserem Fall bedeutet das: 50 Minuten Wartezeit!

Dass wir in Tönnishäuschen gestrandet sind, ist ein Unglück mit Ansage. Bereits als wir am Mittag am Markt in Ennigerloh auf den Bus Richtung Sendenhorst warten, warnten uns andere ÖPNV-Nutzer. "Die Busverbindungen sind eine Katastrophe", sagt Valentina Filippowa. Sie ist wegen des Kriegs in der Ukraine nach Deutschland geflüchtet und wohnt seitdem in einer Unterkunft in Ostenfelde.

Landbevölkerung fährt lieber Auto als Bus

"Dort gibt es nur einen Supermarkt", sagt Fillipowa. Weil der zu teuer sei, fahre sie mit dem Bus nach Ennigerloh, um dort beim Discounter einzukaufen. "Das kostet mich fast den ganzen Tag." Ähnliches berichtet auch eine andere Frau, die in Neubeckum wohnt. Die 83-Jährige will gerade erzählen, was für eine Odyssee ein Besuch in Beckum für sie bedeutet, da kommt der Regiobus 61. "Den muss ich nehmen, sonst komme ich hier nicht mehr weg", sagt sie und steigt ein.

Valentina Filippowa (l.) fährt mit dem Bus zum Einkaufen. | Bildquelle: WDR/Jan Knoff

So wie ihr geht es vielen Menschen, nicht nur in Ennigerloh und anderen Gemeinden im Kreis Warendorf. In vielen ländlicheren Gebieten in NRW ist das Angebot was Busse und Bahnen angeht alles andere als optimal. Die Folge: Die meisten Menschen dort verlassen sich lieber auf das eigene Auto - so wie in Ennigerloh.

Nur wenige Deutschlandtickets in Ennigerloh

Im Jahr 2023 lebten in Ennigerloh gut 16.000 Menschen, die 20 Jahre oder älter waren. In der selben Zeit waren laut Kraftfahrtbundesamt fast 13.000 Autos in der Stadt zugelassen. Zum Vergleich: Im April 2024 bezogen etwa 180 Kunden mit Wohnsitz in Ennigerloh ein Deutschlandticket über den Regionalverkehr Münsterland (RVM).

Dabei sei aber zu beachten, dass "darüber hinaus auch Personen in RVM-Bussen mit dem Deutschlandticket befördert werden, die dieses Ticket bei anderen Verkehrsverbünden oder der Deutschen Bahn bezogen haben", sagt Unternehmenssprecher Tino Nitsch.

Preis für D-Ticket steigt auf 58 Euro

Einer von diesen Menschen ist Manuel Diekmann. Der 45-Jährige wohnt in Ennigerloh und arbeitet in Ahlen bei der Post. "Ich fahre täglich mit dem Bus zur Arbeit", sagt er. "Das ist auch kein Problem, wenn man es vernünftig plant." Dazu gehöre unter anderem, möglichst nicht von den Bussen der RVM auf den Zugverkehr zu wechseln.

Manuel Diekmann (r.) fährt gerne Bus - er hat auch ein Deutschlandticket. | Bildquelle: WDR/Jan Knoff

"Am Wochenende muss ich über Oelde fahren, um dort in die Bahn zu steigen", sagt Diekmann. "Da kann es schon passieren, dass Verbindungen ausfallen und ich zu spät komme." Ein Deutschlandticket will er sich trotzdem wieder kaufen, auch wenn der Preis im kommenden Jahr um neun Euro auf 58 Euro steigen wird.

D-Ticket macht viele Monatsabos günstiger

Trotz der Preiserhöhung sei das Deutschlandticket weiterhin die richtige Maßnahme, um die Verkehrswende in Deutschland voranzutreiben, sagt Maike Czieschowitz, Sprecherin der Westfalen Tarif GmbH. "Einerseits, weil es das Tarifsystem stark vereinfacht hat, andererseits, weil Monatstickets so für viele Menschen günstiger wurden."

Um diesen Service weiter zu bieten, sei es wichtig, dass die finanzielle Unterstützung 2025 auf dem gleichen Niveau bleibe, wie aktuell, auch wenn das D-Ticket teuerer werde, sagt Czieschowitz. Im vergangenen Jahr gaben Bund und Länder dafür gemeinsam drei Milliarden Euro aus.

Takt-Erhöhung nur mit mehr Geld möglich

"Diese Preisgarantie ist aber nur ein Aspekt, um Busse und Bahnen attraktiver zu machen", sagt Czieschowitz. "Damit mehr Menschen auf dem Land den ÖPNV nutzen, müssen dort die Verbindungen ausgebaut und vor allem der Takt erhöht werden." Das sei aber nur mit weiteren Subventionen möglich.

Subventionen im Verkehrssektor: "Fünf Baustellen gleichzeitig" WDR 5 Morgenecho - Interview 24.09.2024 07:50 Min. Verfügbar bis 24.09.2025 WDR 5

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Lange Wartezeiten sind nichts für ihn: Willie Keimeier versucht Busfahren zu vermeiden. | Bildquelle: WDR/Jan Knoff

Bis das passiert, sind Wartezeiten in Tönnishäuschen von mehr als 40 Minuten wohl an der Tagesordnung. Außer man hat Glück und wird von einem Autofahrer wie Willie Keimeier mitgenommen. Der Frührentner ist auf dem Weg nach Enniger. Weil seine Frau an diesem Tag das Auto braucht, hat er sich den Wagen eines Freundes ausgeliehen. "Mit dem Bus zu fahren, versuche ich zu vermeiden, wann immer es geht", sagt er.

Was unsere Reporter bei "WDR aktuell auf Tour" in Ennigerloh außerdem noch erlebt haben, können Sie im Liveticker vom Tag nachlesen.

Unsere Quellen:

  • Recherche vor Ort
  • Telefonat mit Maike Czieschowitz, Sprecherin der Westfalen Tarif GmbH
  • Telefonat mit Tino Nitsch, Sprecher der Regionalverkehr Münsterland GmbH