Infoabend nach Missbrauchsvorwurf in Beckum: Zwischen Trauer und Wut

Stand: 22.01.2025, 08:45 Uhr

Nach Missbrauchsvorwürfen gegen einen Priester in Beckum hat das Bistum Münster zu einem Infoabend eingeladen: Der Saal war voll.

Von Heike Zafar

Die Stimmung ist angespannt, viele Besucher müssen stehen. Einige haben Sorge, dass der Priester "vorverurteilt" wird. Er hat hier in Beckum Paare verheiratet, Kinder getauft, auf die Ferienfreizeit begleitet und Menschen beerdigt.

Entschädigung für einen Betroffenen

Tatsächlich liegt der mutmaßliche Missbrauch schon 25 Jahre zurück. Damals ist der Priester Schulseelsorger im Internat Loburg in Ostbevern gewesen. Dort soll er ein Kind missbraucht haben.

Der Betroffene hat offenbar lange geschwiegen, 2022 aber bei der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung in Bonn einen Antrag auf Entschädigung gestellt: "Diese Kommission hat die Schilderungen für plausibel erklärt", sagt Bistumssprecher Stephan Kronenburg. Der Mann wurde entschädigt.

Erste Verfahren wurden eingestellt

Nicht alle bekamen einen Sitzplatz, so groß war das Interesse beim Infoabend. | Bildquelle: Heike Zafar

Das wirft Fragen auf: "2022 - das ist fast drei Jahre her, warum erfahren wir das erst jetzt?", fragt eine Frau. "Warum ist der Priester weiter in der Jugendarbeit tätig gewesen?", will ein Mann wissen. Die Bistumsvertreter können diese Fragen nicht beantworten, die Aktenlage gebe das nicht her.

Zwei weitere Ex-Schüler der Loburg hatten schon vor Jahren Missbrauchsvorwürfe gegen den Priester erhoben. Damals hatte die Staatsanwaltschaft die Verfahren eingestellt und auch beim Bistum sah man keinen Anlass, ihn freizustellen.

Bistum: Staatsanwaltschaft eingeschaltet

Im aktuellen Fall läuft es anders: Das Bistum hat den Fall an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Danach soll es ein kirchenrechtliches Verfahren geben: Verjährungsfristen könnten dort aufgehoben werden.

Skeptische Nachfragen, ob die Schilderungen überhaupt eingehend geprüft wurden, beantwortet ein Betroffener anderer Taten: "Das Verfahren zur Anerkennung des Leids ist eine Zerreißprobe", sagt Jochen Holtrup. Sein eigenes Verfahren habe mehr als 1.000  Tage gedauert, es werde alles überprüft.

Auch Bistumssprecher Kronenburg ist sich sicher, dass es kaum "Trittbrettfahrer" gibt: "Wer behauptet denn zu Unrecht, Missbrauchsopfer zu sein?"

Priester hat Beckum verlassen

Am Ende des Abends bietet die Missbrauchsbeauftragte des Bistums an, dass sich mögliche weitere Betroffene melden können. Auf die Gemeinde kommen schwere Zeiten zu - auch, weil jetzt ein Pfarrer fehlt. Der Beschuldigte hat Beckum verlassen.

Infoabend nach Missbrauchsvorwurf in Beckum: Zwischen Trauer und Wut WDR Studios NRW 22.01.2025 00:53 Min. Verfügbar bis 22.01.2027 WDR Online

Unsere Quellen:

  • Bistum Münster
  • Betroffener Jochen Holtrup
  • Reporterin vor Ort