Für die meisten Lehrkräfte ist die Versetzung eine Belastungsprobe. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft spricht von einem Riss, der durch jedes Kollegium geht. Denn die Schulen sollen Listen erstellen, wen sie am ehesten entbehren können.
Zwangsversetzung war ein Schock
Wir treffen eine Lehrerin, die bereits im vergangenen Jahr abgeordnet wurde. Aus dem Kreis Coesfeld nach Gelsenkirchen. Sie ist um die 30 Jahre alt und möchte anonym bleiben. Denn sie hat Angst vor beruflichen Nachteilen. Darum nennen wir sie hier Marie.
Sie habe immer viel gearbeitet, sagt Marie: "Ich hab meine Klasse mit Herzblut geführt, ich hab Referendare ausgebildet, ich hab eigentlich alles gemacht, was man machen kann. Und ich hab mich gefragt: War das immer noch nicht genug? Warum werde ich jetzt dafür in Anführungsstrichen bestraft, dass in anderen Bezirken so ein Mangel herrscht?"
Enttäuscht, nicht gewollt zu sein
Für Marie bedeutet die neue Schule in Gelsenkirchen: 130 Kilometer mehr Fahrstrecke. Die Schüler dort lehnen sie ab, sagt sie. Die Eltern auch.
"Das größte Problem ist, dass die Klasse in Gelsenkirchen selber ihre Klassenlehrerin verloren hat. Und natürlich waren die extrem unzufrieden. In den ersten drei Monaten habe ich auf der Rückfahrt nach Hause ständig geweint, weil ich mich hin- und hergerissen fühlte. Weil ich die bin, die man am ehesten entbehren konnte."
Die Lehrerin ist immer noch verletzt: Dieses Gefühl, diejenige von der alten Grundschule zu sein, die man nicht braucht, das tue einfach weh, sagt sie.
Abordnungen sollen Jahre dauern
Bereits im vergangenen Jahr wurden 99 Lehrkräfte aus dem Münsterland ins Ruhrgebiet abgeordnet. Die Bezirksregierung Münster spricht von einem Personaldefizit.
Wie hoch genau der ist, kann sie zurzeit nicht sagen. Aber allein für die Städte Gelsenkirchen, Bottrop und Recklinghausen sind es 135 Grundschullehrkräfte, die fehlen. Die Abordnungen werden voraussichtlich noch Jahre so gehen.
Kritik an Abordnung
Simone Flissikowski ist Grundschullehrerin in Dülmen. Und sie ist Kreisvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im Raum Coesfeld. Sie kritisiert vor allem die Art der "Auswahl" der Lehrer. Jede Schule müsse einen Kriterienkatalog anfertigen und dann einen Namen nennen. Das spalte das Kollegium. Es rumore gerade gewaltig in allen Grundschulen, sagt sie. Das belaste die Lehrkräfte und das Arbeitsklima.
Sie kritisiert auch, dass die Lücken im Münsterland mit Gymnasiallehrern aufgefüllt werden. Struktur und Didaktik seien an Gymnasien völlig andere als an Grundschulen. Wie soll da der Unterricht gehen?
Marie fühlt sich als Marionette
Marie muss zwei Jahre lang in die Schule nach Gelsenkirchen. Ja, sie sei verbeamtet. Und ja, dazu gehöre auch, dass man sich nicht die Rosinen aus den Schulen picken kann. Es sei nicht das Problem, eine Zeitlang woanders zu unterrichten. Das Problem sei die Art und Weise der Entscheidung. Sie fühle sich wie eine Marionette.
An ihre alte Schule im Kreis Coesfeld kann sie nach Ablauf von zwei Jahren zurück. Sie weiß nur noch nicht, ob sie das will. Dazu sitze die Kränkung zu tief, entbehrlich gewesen zu sein.
Unsere Quellen
- Reporterin vor Ort