In Lippstadt weiß man seit Jahrzehnten, dass die Glenne gefährlich werden kann. Jetzt hat das Weihnachtshochwasser für eine große Anspannung im Ortsteil Cappel gesorgt. Mehrere hundert Bürgerinnen und Bürger mussten wochenlang um ihre Keller bangen.
60.000 Sandsäcke
"Ich habe schon Angst. Das Wasser steht nämlich bei uns in den Kellerschächten schon drin. Wenn der Deich bricht: Mahlzeit". Kurz vor den Weihnachtsfeiertage musste die Frau aus Lippstadt-Cappel zur Schaufel greifen. Mit Sandsäcken will sie ihr Hab und Gut schützen. 60.000 wurden verteilt. Der Grund: Die Behörden hatten befürchtet, dass der Deich der Glenne den Wassermassen nicht standhält.
Wochenlang hatte es geregnet, der Deich ist aufgeweicht. Und das wundert hier eigentlich niemanden: Schon vor 29 Jahren hatte die Bezirksregierung Arnsberg ihr Urteil gefällt. Die Deiche entlang der Glenne wurden damals bereits "verfallen" erklärt. Seitdem wird geplant.
Positives Beispiel: Lippeauen
Wie gut funktionierender Hochwasserschutz aussehen kann, ist wenige Kilometer weiter an der Lippe zu sehen. Wenn das Wasser steigt, werden nach und nach verschiedene Wiesen, Weiden und Felder geflutet - viele Bereiche sind Naturschutzgebiete.
"So, wie es früher vor den Begradigungen und Eindeichungen des Flusses auch war", hat dazu Ulrich Detering jahrezehntelang den Bürgern erklärt. Der im vergangenen Jahr gestorbene Wasserexperte der Bezirksregierung hatte jahrzehntelang Bürger und Behörden überzeugt und war so maßgeblich an der Vorzeige-Renaturierung beteiligt.
Provisorisches Hochwasserschutzsystem aufgebaut
Die Glenne ist davon noch weit entfernt. Hier soll es zwar auch um Naturschutz gehen, der Hochwasserschutz steht aber im Vordergrund. Wie notwendig das ist, war beim Weihnachtshochwasser zu sehen. Weil die Behörden befüchtet haben, dass der Deich überlaufen oder sogar brechen könnte, wurde ein mobiles Hochwasserschutzsystem aufgebaut.
Auf fast anderthalb Kilometern Länge wurden spezielle Plastiktonnen aufgebaut und verschraubt, mit Wasser gefüllt und durch Planen abgesichert. Dieser künstliche Schutzwall sollte eine Siedlung in Lippstadt-Cappel vor einem möglichen Hochwasser schützen.
"Wir befürchten hier zwar keine direkte Gefahr für Mensch und Tier, aber viele Keller oder auch tiefliegende Wohnungen hätten schon überflutet werden können", erklärt dazu Joachim Elliger. Er ist der Leiter des Krisenstabes der Stadt Lippstadt.
Deich muss auf Vordermann gebracht werden
Viel Aufwand und viel Angst um einen Deich, der eigentlich schon lange "entschärft" sein sollte. "Das ist nicht so einfach", erklärt dazu Lippstadts Bürgermeister Arne Moritz: Es gibt Probleme mit den Grundstücken.
Besonders Landwirte wollen nicht auf für sie wichtige Flächen verzichten. Drei aus der Gemeinde Wadersloh haben sogar gegen die Maßnahmen geklagt, sind bisher aber gescheitert. Seitdem geht es nur zäh weiter.
Der Bürgermeister hofft weiterhin auf eine Einigung - Ende Januar soll es weitere Gespräche geben. "Ich bin da optimistisch- aber wir müssen da jetzt schauen, wie lange die Erinnerung an diese Hochwassersituation bei den Grundstückseigentümern angehalten hat."
Unsere Quellen:
- Reporter vor Ort