Mitten in der Nacht setzen Gewerkschafter der IG Metall und Beschäftigte des lokalen Benteler-Werks in Paderborn ein Zeichen: Bekleidet mit roten Schals und Mützen bereiten sie den Auftakt einer groß angelegten Streikwelle in der Metall- und Elektroindustrie in NRW und ganz Deutschland vor.
Um den Hals der Organisatoren hängen schon die Trillerpfeifen, die nur wenig später die Nachtruhe in Schloss Neuhaus stören werden. Pünktlich um kurz nach Mitternacht kommen die Kollegen der Nachtschicht aus den Werkstoren. Statt in der Produktion sieht man sie mit Fahnen, Transparenten und Fackeln. "Wir wurden gezwungen, uns zu einer so unmoralischen Zeit hier zu treffen, aber was muss, das muss", sagt Simon Keal, stellvertretener Betriebsratsvorsitzender bei Benteler Steel/Tube.
7 Prozent mehr Geld und ein faireres Ausbildungsgehalt
Laut Gewerkschaftsangaben sind 95 Prozent der Beschäftigten des Automobil-Zulieferers Benteler dem Aufruf zum Warnstreik in Paderborn gefolgt. Insgesamt rund 250 Menschen sind damit in der Nacht in Schloss Neuhaus auf der Straße. In knapp 50 weiteren Betrieben in NRW wurde in der Nacht auf Dienstag gestreikt. Das gemeinsame Ziel: 7 Prozent mehr Geld und ein faireres Ausbildungsgehalt.
Alexander Jan aus Paderborn ist 21 Jahre alt und macht jetzt gerade das zweite Jahr seiner Ausbildung zum Industriekaufmann bei einem Paderborner Metall-Unternehmen. Der Auszubildende ist einer derjenigen, der von der IG-Metall-Forderung nach mindestens 170 Euro mehr pro Monat deutlich profitieren würden. Er lebt gemeinsam mit seiner Freundin Polina Startseva in einer bescheidenen 30 m² großen Wohnung.
Natürlich kennt Alexander Jan auch den alten Spruch "Lehrjahre sind keine Herrenjahre", und trotzdem ärgert er sich darüber: "Man begegnet noch sehr oft Leuten, die sagen, dass man ja bei den Eltern wohnbleiben kann. Aber ich bin ja nicht mehr 16." Er hat mit seiner Partnerin immer wieder Gespräche darüber, ob sie nicht finanziell deutlich besser dran wären, wenn beide statt ihrer jetzigen Jobs in irgendeinem Supermarkt ungelernt Regale ausräumen oder bei einer Fastfoodkette am Nachtschalter stehen würden.
Tagsüber stehen die Azubis am Band in der Produktion - und nach Feierabend liefern sie Pizza aus oder fahren Taxi, sagt Clarissa Wagner, Bezirksjugendsekretärin der IG Metall NRW. Daher fordert die Gewerkschaft mit Nachdruck ein deutlich höheres Azubigehalt.
Erstes Angebot lehnten die Gewerkschaften ab
Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall warnt aber vor unrealistischen Erwartungen bei den Beschäftigten. Warnstreiks würden eine Einigung nicht leichter machen. Die Arbeitgeber hatten angeboten, die Löhne im kommenden Juli um 1,7 Prozent und ein Jahr später erneut um 1,9 Prozent zu erhöhen. Ein Angebot, das die Gewerkschaften ablehnen.
Am anstehenden Halloween-Donnerstag stehen in Düsseldorf die nächsten Verhandlungen zwischen den Arbeitgebern und den Gewerkschaften auf dem Kalender. Welche Seite sich momentan mehr vor dem Termin gruselt, liegt vermutlich im Auge des Betrachters.
Unsere Quellen:
- WDR-Reporter vor Ort
- Beschäftigte von Benteler
- Pressemittelungen von IG Metall und Arbeitgeberverband Gesamtmetall