Unterwegs mit über Tempo 90 auf der Landstraße. Plötzlich geht alles ganz schnell: Ein Reh kreuzt die Straße - die Zeit reicht nicht zum Bremsen - Zusammenstoß.
Rein rechnerisch kollidiert in Deutschland alle zwei Minuten ein Auto mit einem Wildtier. Die deutschen Autoversicherer haben 2023 etwa 282.000 Wildunfälle registriert, sagt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Die meisten Unfälle gibt es mit Rehen, so der Deutsche Jagdverband. Für NRW bedeutet das: 31.200 Unfälle mit Rehen, gefolgt von Wildschweinen (Schwarzwild/1.180), gefleckten Damhirschen (Damwild/420) und großen rotbraunen Hirschen (Rotwild/270). So steht es in der Wildunfallstatistik 2023.
20 Kilo Reh, Aufschlaggewicht 0,5 Tonnen
Auch für Menschen ist diese Situation gefährlich. Wer zu schnell fährt, hat ein großes Risiko für einen schweren Unfall. Die Polizei im Kreis Wesel rechnet vor: Ein 20 Kilo schweres Reh besitzt bei einer Kollision mit Tempo 100 ein Aufschlaggewicht von fast einer halben Tonne.
Etwa 2.000 bis 3.000 Personen werden jährlich leicht bis schwer verletzt (2023: 2.351), etwa zehn Menschen sterben statistisch gesehen jedes Jahr bei Unfällen zwischen Auto und Wild, sagt die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg.
Wie sich ein Wildunfall vermeiden lässt und was zu tun ist, wenn er doch passiert ist: Hier sind unsere Tipps.
Wann ist die Gefahr für Wildunfällen besonders groß?
Vorsicht ist vor allem im Morgengrauen und in der Abenddämmerung angesagt. Dann sind viele Tiere auf Nahrungssuche. Das Problem im Herbst und im Frühjahr: Die Sonne geht genau dann auf und unter, wenn viele Menschen zur Arbeit oder nach Hause fahren.
Durch dieses Zusammentreffen von Dämmerungszeit und Berufsverkehr steigt die Unfallgefahr drastisch an. Laut ADAC ist das Risiko für einen Zusammenstoß besonders hoch zwischen 6 und 8 Uhr morgens, wenn Wildtiere aktiv sind und gleichzeitig viele Pendler unterwegs sind.
Wie lässt sich ein Wildunfall vermeiden?
Langsam fahren und bremsbereit sein - das gilt vor allem in der Dämmerung und wenn es in Waldgebieten oder entlang von Wiesen und Feldern unübersichtlich wird. Thomas Müther vom ADAC Nordrhein sagt: "Oft passieren Wildunfälle auch, weil Autofahrer die Gefahr unterschätzen, wenn sie ein Tier am Straßenrand entdecken, dass scheinbar in Richtung Auto schaut."
Hier fühlen sich manche sicher und gehen davon aus, dass das Tier warten wird. Das macht es aber eher nicht. Durch das Scheinwerferlicht, fehlende Orientierung oder Angst kann es vorkommen, dass das Tier dann plötzlich vors Auto springt.
ADAC und Polizei empfehlen:
- Bei Wildwechsel-Warnschildern: Langsamer fahren und erhöhte Aufmerksamkeit
- Nachts in Waldgebieten wenn möglich mit Fernlicht fahren - die Augen der Tiere reflektieren und sind so besser erkennbar
- Wenn ein Tier auf der Straße steht: Fernlicht ausschalten und hupen
- Bei Wildtieren am Straßenrand: Mit Schrittgeschwindigkeit vorbeifahren
- Immer mit mehreren Tieren rechnen - ein Reh kommt selten allein
- Bei unvermeidbarem Zusammenprall: Lenkrad festhalten, nicht ausweichen und bremsen
Welche Rolle spielt die Geschwindigkeit?
Die Geschwindigkeit entscheidet über Leben und Tod: Bei 60 Stundenkilometern und 60 Meter Abstand zum Wild können Autofahrer noch rechtzeitig bremsen. Bei Tempo 80 wird es bereits kritisch, bei Tempo 100 ist eine Kollision unvermeidbar. Das zeigt deutlich: Moderate Geschwindigkeit kann Leben retten.
Wer auf Landstraßen 80 statt 100 km/h fährt, hat nicht nur einen deutlich kürzeren Bremsweg - bei kontrolliertem Bremsmanöver ohne Ausweichen haben auch alle Insassen gute Chancen, den Unfall unverletzt zu überstehen. Deshalb appelliert die Polizei an alle Verkehrsteilnehmer, besonders auf Landstraßen das Tempo zu reduzieren.
Warum nicht noch schnell in letzter Minute ausweichen?
Ein Ausweichmanöver in letzter Sekunde erhöht das Risiko dramatisch: Die Gefahr, gegen einen Baum zu prallen oder in den Gegenverkehr zu geraten, ist extrem hoch. Ein ADAC-Crashtest mit einem 180 Kilogramm schweren Wildschwein-Dummy bei Tempo 80 zeigt: Die Überlebenschancen sind am größten, wenn Fahrer die Spur halten und eine Vollbremsung einleiten.
Nach dem Wildunfall: Was muss ich tun?
Wenn es doch zum Unfall mit einem Wildtier gekommen ist, empfehlen ADAC und Polizei folgende Schritte:
- Erste Maßnahmen an der Unfallstelle: Ruhe bewahren und Unfallstelle absichern: Warnblinkanlage einschalten, Warnweste anziehen und Warndreieck aufstellen. Bei verletzten Personen über 112 den Rettungsdienst alarmieren und Erste Hilfe leisten. In jedem Fall die Polizei unter 110 verständigen und den genauen Standort durchgeben.
- Richtiger Umgang mit dem Wildtier: Verletztes Wild niemals berühren - die Tiere können aggressiv reagieren. Tote Tiere nur mit Handschuhen an den Straßenrand ziehen - wegen der Infektionsgefahr. Wichtig: Das Wild nicht vom Unfallort entfernen, das gilt als Wilderei und ist strafbar.
- Wichtig für die Versicherung: Am Unfallort warten, bis Polizei oder Jäger eintreffen. Eine Wildunfallbescheinigung für die Versicherung ausstellen lassen - sie ist für die Schadensregulierung notwendig.
Zahlt die Versicherung bei einem Wildunfall?
Eine Teilkaskoversicherung deckt in der Regel den Schaden am Auto ab. Das gilt je nach Kfz-Versicherung meist für Zusammenstöße mit Haarwild - also Rehe, Hirsche, Wildschweine, Füchse oder Hasen. Bei Unfällen mit Vögeln oder anderen Tieren wie Kühe, Pferde, Hunde oder Katzen kann es sein, dass nicht jede Versicherung zahlt.
Wer nicht nachweisen kann, dass der Schaden durch ein Wildtier entstanden ist, dem könnte, wenn vorhanden, eine Vollkaskoversicherung helfen. Das kann allerdings für höhere Kosten sorgen, wenn man in der Schadenfreiheitsklasse zurückgestuft wird.
Unsere Quellen:
- Infos vom ADAC
- Infos vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zu Wildunfällen
- Wildunfallstatistik des Deutschen Jagdverbands
- Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg
- Polizei Kreis Wesel
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 05.11.2024 auch im Hörfunk: WDR 5 Morgenecho, ab 6 Uhr.