Es sind Worte, die empören und irritieren: Schwulsein sei ein "geistiger Schaden". So jedenfalls äußert sich der katarische WM-Botschafter und Ex-Fußballnationalspieler Khalid Salman in einem Interview vor laufender Fernsehkamera. Was dann geschah, dürfte für den 60-Jährigen unerwartet gewesen sein: Kaum hatte er in der ZDF-Dokumentation "Geheimsache Katar" zu Ende geredet, brach ein Pressesprecher das Gespräch ab. Die entscheidene Szene zeigen wir hier im Video.
DIe komplette ZDF-Dokumentation gibt es hier in der ZDF-Mediathek zu sehen:
Salman ist nicht Irgendwer. Er ist einer der offiziellen Botschafter des Organisationskomitees der Fußball-Weltmeisterschaft, die am 21. November im Emirat Katar am arabischen Golf beginnt. Seine Worte bestätigen in großen Teilen die lautstarke Kritik zahlreicher Fan- und Menschenrechtsorganisationen vor dem Fußball-Großturnier am Persischen Golf. Katar steht immer wieder in der Kritik – wegen seines Umgangs mit ausländischen Arbeitskräften, mit Frauen - und eben mit queeren Menschen.
Innenministerin Faeser: "Solche Aussagen sind schrecklich"
"Während der WM werden viele Dinge hier ins Land kommen. Lass uns zum Beispiel über Schwule reden", hatte Salman in der ZDF-Dokumentation "Geheimsache Katar" zunächst ausgeführt. "Das Wichtigste ist doch: Jeder wird akzeptieren, dass sie hier herkommen. Aber sie werden unsere Regeln akzeptieren müssen." Schwulsein sei "haram" und damit verboten, es sei ein "geistiger Schaden".
Bundesinnenministerin Nancy Faeser zeigte sich nach den Äußerungen bestürzt. "Solche Aussagen sind schrecklich", betonte die auch für den Sport zuständige SPD-Politikerin: "Und das ist auch der Grund, warum wir daran arbeiten, die Dinge in Katar in Zukunft hoffentlich zu verbessern."
Homosexualität steht im Emirat unter Strafe, es drohen bis zu fünf Jahren Haft bei homosexuellen Handlungen. Premierminister Scheich Chalid bin Chalifa Al-Thani hatte gegenüber Faeser zuletzt allerdings eine "Sicherheitsgarantie" für Personen der LGBT-Community gegeben, sie müssten im Zuge der WM mit keinerlei Strafen rechnen.
Human Rights Watch warnt Homosexuelle vor Reise zur Fußball-WM
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warnte dennoch homosexuelle Personen vor einer Reise zur Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Es bestehe "ein großes Risiko", dass das Zeigen von gleichgeschlechtlicher Liebe "geahndet wird", sagte Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch Deutschland: "Egal welche Zusicherungen es gibt. Katar ist kein Rechtsstaat. Da kann man nichts einklagen."
Offizielle Reisewarnung gefordert
Die Aussagen "über Schwule sind verstörend und dennoch keine Überraschung", teilte Alfonso Pantisano aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) am Dienstag mit. "Wenn das Organisationskomitee (...) queere Fans scheinbar willkommen heißen möchte und dann ein WM-Botschafter solch verstörende Bemerkung macht, beweist es die Bedrohung des Regimes gegenüber queeren Menschen." Der Verband erwarte vom Auswärtigen Amt eine Reisewarnung und schicke an alle Fans die Botschaft: "Boykottiert diese WM!"
"Wer jetzt fassungslos ist, [...] der hat doch geschlafen"
Dario Minden von der Fanorganisation "Unsere Kurve" nannte im WDR am Dienstagabend eine Reisewarnung ein "sinnvolles Symbol". Zugleich betonte er mit Blick auf die Äußerungen von Salman: "Wer jetzt noch fassungslos ist, wer jetzt überrascht ist, der hat doch geschlafen." Es gehe darum zu begreifen, wenn es auf der einen Seite Homosexuelle gibt und auf der anderen Seite Menschen, die sagen: Homosexuelle, Homosexualität ist eine Krankheit, die gehört ausgerottet, dann könne man nicht zu beiden ein super Verhältnis haben. "Man muss sich bekennen. Und daran scheitert der DFB leider", so Minden.
Kritik auch vom DFB
Derweil nannte DFB-Präsident Bernd Neuendorfer in der "Bild"-Zeitung die "Entgleisung" des WM-Botschafters "völlig indiskutabel". Die Äußerung diskreditiere die gesamte LGBTIQ-Community und offenbare ein überaus problematisches Verhältnis zu den Menschenrechten. "Aus unserer Sicht sollte die FIFA ernsthaft prüfen, ob sich hiermit nicht die Ethikkommission befassen muss."
Mehrere Kneipen in NRW zu Boykott der WM fest entschlossen
Zu einem Boykott schon seit Wochen fest entschlossen sind mehrere Kneipen in NRW. Die Wirte wollen, anders als bei anderen Fußball-Großturnieren, keines der Spiele von der WM in Katar in ihren Räumlichkeiten via Großleinwand zeigen. Schließlich müsse eine WM eine weltoffene Veranstaltung sein, die keinen Raum für Ausgrenzung und Intoleranz bieten darf.
In Düsseldorf etwa hat der Wirt der Altstadtkneipe "Retematäng" die Boykott-Bewegung "Kein Katar in meiner Kneipe" initiiert: "Uns blutet das Herz. Aber das geht halt einfach nicht", sagt Wirt Daniel Vollmer. "Wir würden uns selbst für Heuchler halten, wenn wir das Turnier scharf verurteilen, durch eine Übertragung aber Umsatz generieren."