Am Anfang, vor zehn Jahren, war alles noch ganz klein. In Oberursel, einer kleinen Stadt in Hessen, treffen sich 18 Männer im Gemeindesaal der Christuskirche. Ihr Ziel: Die Gründung einer eurokritischen Partei. Frauen sind übrigens nicht in dem Saal, es gibt nur "Gründungsväter".
Was sie eint: Sie kommen zu großen Teilen aus der Finanz- und Wirtschaftsbranche und sind gegen den Euro als gemeinsame EU-Währung. Insbesondere der Euro-Rettungsschirm, mit dem die griechische Staatsschuldenkrise abgewendet werden soll, stört sie.
Die damalige Kanzlerin Angela Merkel hatte die Hilfen für Griechenland als "alternativlos" bezeichnet. Die AfD-Gründer wollten sich dagegen positionieren, eben als "Alternative" für Deutschland.
Von 18 Gründungsmitgliedern nur noch drei in der Partei
"Zur Gründung war Einwanderung kein so entscheidendes Thema", erinnert sich Martin Renner, heute medienpolitischer Sprecher der AfD im Bundestag, im WDR-Interview. Er ist eines der wenigen Gründungsmitglieder, das sich auch heute noch zur AfD bekennt. Er zog bei der Bundestagswahl 2021 über die NRW-Landesliste in den Bundestag ein und war Ende 2017 Sprecher des NRW-Landesverbandes.
Von den 18 Gründern sind heute nur noch drei Mitglied der Partei. Zwei sind verstorben, 13 sind ausgetreten, teilweise angewidert davon, in welche Richtung sich die Partei entwickelt hatte.
Die AfD wächst anfangs schnell
Schon in den Jahren nach der Gründung, als die AfD noch hauptsächlich als eurokritische "Professorenpartei" wahrgenommen wird, wächst die Partei schnell, weil sie für viele ganz unterschiedliche Akteure interessant ist. Es kommen nicht nur Menschen, die gegen eine Erweiterung der EU und des Euroraumes sind. Auch Überläufer aus der CDU treten beispielsweise in die Partei ein. Viele von ihnen haben das Gefühl, dass die CDU unter der Führung von Angela Merkel keine bürgerliche Partei mehr ist.
Doch nicht nur für bürgerlich denkende Menschen bietet die AfD eine Heimat. Spätestens 2015, als viele Geflüchtete aus Syrien nach Deutschland kommen, verschiebt die Partei ihren Schwerpunkt. Weg von der Euroskepsis hin zur Partei gegen Migration. Mit diesem neuen Kernthema erzielt sie erste Erfolge bei Landtagswahlen, vor allem in Ostdeutschland.
Der Ton wird rauer, die Partei radikaler
Das zieht auch immer mehr Menschen weit rechts des bürgerlichen Lagers an, die Rhetorik der AfD wird radikaler. Als sie 2017 erstmals in den Bundestag einzieht, kündigt der damalige Parteivorsitzende Alexander Gauland an: "Wir werden sie jagen. Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen."
Treibende Kraft für den Wandel hin zu einer rechtspopulistischen, in den Augen mancher gar rechtsradikalen Partei, ist der völkisch-nationalistische "Flügel". An dessen Spitze steht der Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke. Der darf – so hat das ein Gericht entschieden – als Faschist bezeichnet werden.
Die AfD: Ein Fall für den Verfassungsschutz
Zwar wurde der "Flügel" von Ex-Parteichef Jörg Meuthen offiziell aufgelöst. Doch Höcke ist nach wie vor Mitglied der AfD, sitzt für die Partei im Thüringer Landtag.
Ein Jahr nach seinem Rückzug sagte Meuthen: "Ich hätte nicht gedacht - und darin habe ich geirrt - dass der 'Flügel' diese Dominanz jemals würde erreichen können. Und wer immer jetzt an der Parteispitze herumturnt: Er tut es von Höckes Gnaden."
Die aktuelle Parteispitze aus Alice Weidel und Tino Chrupalla muss sich momentan noch mit ganz anderen Problemen rumschlagen. Die Zahl der AfD-Parteimitglieder geht zurück. Ein möglicher Grund dafür: Die gesamte Partei wird als "rechtsextremer Verdachtsfall" vom Verfassungsschutz beobachtet.
Wahlen 2022: In NRW die 5-Prozent-Hürde nur knapp geschafft
Bei der vergangenen NRW-Landtagswahl im Mai 2022 schaffte es die AfD nur mit Ach und Krach und 5,4 Prozent in den Landtag. Die Wahl fand wenige Monate nach der russischen Invasion in die Ukraine statt - die AfD hat sich bis heute nicht gegen Wladimir Putin und seinen Krieg in der Ukraine gestellt. Das gefällt den meisten Deutschen nicht, aber die AfD verfügt doch über ein stabiles Wählerpotenzial.
Politik-Experte Albrecht von Lucke glaubt nicht, dass die AfD bald von der politischen Landkarte verschwinden wird: "Die AfD hat eine große Zukunft vor sich. Da auch die anderen Parteien, wir sehen es gegenwärtig, große Schwierigkeiten haben, adäquate, gute Lösungen auf die Probleme zu bieten, wird die AfD meines Erachtens weiter wachsen. Sie wird weiter einfache Antworten auf sehr, sehr komplexe Fragen geben und sie wird die Demokratie radikal herausfordern."