Geld für Zeugnisse: Ist das ok? Aktuelle Stunde 04.07.2024 09:22 Min. UT Verfügbar bis 04.07.2026 WDR Von Bernd Neuhaus

Geld für gute Noten? Tipps für den Umgang mit den Zeugnissen

Stand: 05.07.2024, 06:00 Uhr

In NRW gibt es am Freitag die Zeugnisse. Für Eltern und Großeltern stellt sich die Frage: Sollen gute Noten mit Geld belohnt werden? Es gibt Experten, die abraten. Aber was könnte die Alternative sein? Und wie damit umgehen, wenn das Zeugnis schlecht ausfällt? Tipps für Angehörige.

Von Johanna Esch

Zehn Euro für jede Eins auf dem Zeugnis und fünf Euro für jede Zwei: Geld für gute Noten ist beliebt bei Eltern und Großeltern. Klar, ein Schein ist schnell gezückt und Kinder und Jugendliche wissen selbst am besten, was sie sich von dem Geld kaufen wollen. Expertinnen und Experten raten allerdings eher ab vom Geld für gute Noten.

Ein Top-Tipp ist es, kein Geld zur Belohnung, sondern eine Aktivität mit den Kindern zu machen: ein Besuch im Schwimmbad, der Eisdiele oder einen Ausflug in einen der NRW-Freizeitparks. Dabei kommt es nicht darauf an, wie teuer oder spektakulär diese Aktivität ist. Wichtiger ist, dass die Kinder mit bei der Planung dabei sind und dass man Zeit gemeinsam verbringt. Hintergrund ist, dass unser Gehirn sich an gemeinsame Erlebnisse besser erinnert, als an gekaufte Ware.

Nicht nur Kinder mit guten Noten belohnen

Samra Fazlic ist Kinder- und Jugendpsychotherapeutin aus Mülheim an der Ruhr. Ihr ist es wichtig, dass man Kinder nicht nur positiv bestärkt, wenn die Noten gut sind:

"Es geht auf jeden Fall darum, die Anstrengung zu honorieren. Wir sollten es nicht abhängig davon machen, ob es ein „sehr gut“ oder ein „gut“ ist, sondern, dass wir im besten Fall beobachten, mein Kind hat sich bemüht, viel Zeit und Kraft geopfert.“ Samra Fazlic, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Mülheim an der Ruhr

Ideal wäre es, wenn man schon eine Weile vor der Zeugnis-Vergabe eine gemeinsame Aktivität als Belohnung plant. So hält die positive Verstärkung länger an.

Schlechte Noten: Druck rausnehmen

Für Kinder, die Probleme in der Schule haben, ist es hilfreich, den Druck am Zeugnis-Tag selbst raus zu nehmen. Und Druck, den spüren Schülerinnen und Schüler laut Fazlic massiv.

"Der Druck äußert sich in ganz viel Angst. Ein riesengroßes Thema ist Leistungsangst. Die Angst davor, wie reagieren meine Eltern darauf, dass die Note doch schlechter ist als im Vorfeld erhofft.“ Samra Fazlic, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin aus Mülheim an der Ruhr
Samra Fazlic - Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin | Bildquelle: Samra Fazlić

Wenn das Zeugnis so schlecht ist, dass Schülerinnen und Schüler sitzen bleiben, rät Fazlic Eltern, das als Fakt anzunehmen und die Kinder zu trösten. Der Tag der Zeugnisvergabe und die Fragen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler würden die Kinder bereits belasten.

„Gehen Sie davon aus, dass das Kind selbst traurig ist. Sagen Sie nicht: „Ist nicht so schlimm…“, weil für das Kind ist es schlimm. Nicht die Realität leugnen.“ Samra Fazlic, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin aus Mülheim an der Ruhr

Zeugnistelefon: Hilfsangebote für Familien nutzen

Für frustrierte Familien in NRW gibt es Hilfe. Die Bezirksregierung und einige Kommunen richten rund um die Zeit der Zeugnisse Hilfetelefone ein. Bei den sogenannten Zeugnistelefonen beraten Psychologinnen und Psychologen die Familien in vertraulichen Gesprächen. Oft nutzen die Zeugnistelefone vor allem die Eltern. Schülerinnen und Schüler wenden sich eher an die „Nummer gegen Kummer“. Unter der kostenlosen Telefonnummer "116111" gibt es rund um die Uhr Beratung in Krisensituationen. Die Nummer wird besonders oft gegen Ende des Schuljahres gewählt.

Unsere Quellen:

  • Recherche WDRReporter:innen
  • WDR-Interview mit Samra Fazlic, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin
  • Agenturen

Über dieses Thema berichtet der WDR am 04.07.2024 auch im Hörfunk auf WDR 5.