Während Wagner sich 1839/40 in Paris aufhielt, hatte Franz Liszt seine Zelte dort bereits abgebrochen. Er kam zwar immer wieder in die französische Hauptstadt zurück, reiste aber in den folgenden Jahren wie ein Getriebener durch Europa. In dieser ruhelosen Phase begann er, sein zweites Klavierkonzert zu komponieren. Er steckte sich damit hohe Ziele: weg von den üblichen drei Sätzen des Schemas schnell – langsam – schnell und einem ersten Satz in Sonatenform hin zu einer Großform in nur einem einzigen durchgehenden Satz. Seine hohe Ambition zog einen gut zwanzigjährigen Entstehungsprozess nach sich, mit stetigen Überarbeitungen und Verfeinerungen. Am 7. Januar 1857 war es dann so weit: Die Uraufführung konnte endlich in Weimar über die Bühne gehen. Liszt trat dabei nicht als Solist in Erscheinung, sondern beschränkte sich darauf, die Weimarer Hofapelle zu dirigieren. Den Klavierpart übernahm sein Schüler Hans Bronsart von Schellendorf. Weimar war 1843 Liszts fester Ankerpunkt geworden, nachdem er dort zum Großherzoglichen Kapellmeister ernannt worden war. Nach seiner Laufbahn als Klaviervirtuose sollte er in der Goethe-Stadt fast zwanzig Jahre sesshaft sein. Neben seinen Verpflichtungen als Dirigent der Hofkapelle widmete er sich in dieser Zeit vor allem seinem kompositorischen Werk. Und so entstanden seine h-Moll-Sonate, die 13 sinfonischen Dichtungen und seine beiden großen Sinfonien nach Goethes "Faust" und Dantes "Göttlicher Komödie". Auch sein zweites Klavierkonzert verdankt der Weimarer Ruhe seine endgültige Gestalt.
In keiner Weise mangelte es Liszt an Selbstbewusstsein. Über den Ansatz seiner Kompositionstechnik äußerte er einmal: "Ich kann mit wenig Bausteinen ein musikalisches Gebäude errichten. Andere benötigen dazu das Tausendfache an Material." Und so entwickelt er auch sein zweites Klavierkonzert aus einer einzigen musikalischen Idee und präsentiert damit eine Vielfalt in der Einheit.