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Dimitri Schostakowitsch

Werkeinführung: Dmitrij Schostakowitsch - Cellokonzert Nr. 1 Es-Dur op. 107

Von Otto Hagedorn

Dmitrij Schostakowitschs erstes Cellokonzert führt mitten hinein in die Tragik seiner Epoche. Für den wohl bedeutendsten Komponisten der Sowjetunion hatte sein persönlicher Fluch einen Namen: Josef Stalin. Die unberechenbare Grausamkeit des Diktators hat Schostakowitsch zutiefst verängstigt. Ein erster Schlag ging 1936 auf den Komponisten nieder: "Chaos statt Musik" war der Titel eines Artikels in der Prawda, dem Zentralorgan der KPdSU, mit dem seine Oper "Lady Macbeth von Mzensk" abgestraft wurde. Der zweite Hieb traf Schostakowitsch 1948, als er vom Komponistenverband der Sowjetunion des "Formalismus" bezichtigt und seine Musik als "volksfremd" diffamiert wurde. Nach dem Tod von Stalin am 5. März 1953 hätte Schostakowitsch aufatmen können. Doch seine noch im selben Jahr uraufgeführte zehnte Sinfonie spiegelt den Schrecken, in den Stalin den Komponisten gestürzt hatte.

In den Folgejahren schien Schostakowitsch dann tatsächlich wie befreit. Davon zeugen richtiggehend fröhliche Werke: seine Operette "Moskau, Tscherjomuschki" oder die Filmmusik zu "Die Stechfliege". Doch 1959, mit seinem ersten Cellokonzert, bricht die angestaute Trauer aus Schostakowitsch heraus. Die Idee, überhaupt ein Cellokonzert zu komponieren, geht auf Sergej Prokofjews Sinfonisches Konzert op. 125 zurück. Dieses Werk hat Schostakowitsch in einer Aufnahme mit dem Cellisten Mstislaw Rostropowitsch ungemein geschätzt. Für diesen Ausnahme-Solisten wollte, nein: musste er auch komponieren. Dessen seelenvolles Spiel war das ideale Ausdrucksmedium, um sich seine inneren Dämonen von der Seele zu schreiben. Der erste Satz des Konzerts ist geprägt von dem Motiv, das Schostakowitsch von seinen Initialen ableitete: D-es-c-h. Hinzu kommt ein Marsch, den er 1948 für eine Filmmusikszene komponiert hatte: der Gang zu einer Hinrichtung. Im zweiten Satz singt das Cello ein trauriges Lied, aus dem sich eine beklemmende Klage entwickelt. Die Kadenz sinniert über die Fragen, die in den beiden Sätzen zuvor aufgeworfen wurden. Das aufgewühlte Finale zitiert drohend das georgische Volkslied "Suliko" – bezeichnenderweise ein Lieblingslied Stalins.