Cover des Albums "Fintou" von Vaudou Game: Schwarzer schlanker Mann mit weißem Bodysuit, Mütze und Sonnenbrille mit gekreuzten Armen vor einer Wand

"Fintou" - Voodoo-Philosophie & Afro-Funk von Vaudou Game

Stand: 02.02.2025, 00:00 Uhr

Vaudou Game sind die Stars des togolesischen Afro-Funk. Die Musiker um den charismatischen Sänger und Gitarristen Peter Solo machen einen komplexen, elektrisierenden Sound, in dem Afro-Grooves und Retro-Soul aufeinandertreffen. Für "Fintou", ihr fünftes Album, hat Solo auf der Suche nach neuer Inspiration die Afro-Cumbia erfunden.

Von Anna-Bianca Krause

Vaudou Game - "Fintou"

COSMO Album der Woche 02.02.2025 02:53 Min. Verfügbar bis 02.02.2026 COSMO


Vaudou Game ist eine sechsköpfige Band mit franko-togolesischen Wurzeln, gegründet vom Togolesen Peter Solo. Ihre Musik verbindet Afro-Funk, wie er in den 1970er Jahren in Togo und Benin entstand und von legendären Gruppen wie dem Orchestre Poly-Rythmo de Cotonou geprägt wurde, mit den Einflüssen von Funk und Soul à la James Brown. Dazu kommen die Gesänge, die Trance und die spirituellen Inhalte der Voodoo-Kultur Togos.

Der Bandname Vaudou Game bedeutet übersetzt "die Tonleiter des Voodoo" und verweist auf die musikalischen Harmonien, die – ähnlich wie in Äthiopien oder Bali – auf der Pentatonik (Fünfton-Musik) basieren.

Afrikanischer James Brown

Zentrale Figur von Vaudou Game ist Peter Solo, der oft als "afrikanischer James Brown" bezeichnet wird. Der 52-Jährige ist ein herausragender Performer und begnadeter Gitarrist. Häufig lässt er sich mit traditionellen Masken wie der Antilopen-Maske ablichten, tritt meist mit nacktem Oberkörper und Turban auf und verkörpert so den Spirit seiner Musik. Bereits im Alter von 13 Jahren baute sich Solo seine erste Gitarre aus Alltagsgegenständen selbst, mit 16 war er Gitarrist in einer Band und lernte später zusätzlich Perkussion. Bevor er seine eigenen Bands gründete, arbeitete er als Musiker für Größen wie Papa Wemba, Miriam Makeba und Gnonnas Pedro.

In den späten 1990er-Jahren zog Solo für einige Jahre nach London, wo er in der Gospelszene aktiv war und bereits eigene Platten veröffentlichte. Anschließend zog er nach Frankreich und lebt seitdem in Lyon. 2011 gründete er Vaudou Game. Mit der Band veröffentlichte er zwischen 2014 und 2021 vier Alben und trat auf zahlreichen großen Festivals weltweit auf.

Ein wichtiger Einfluss für Solo ist sein Onkel, der legendäre togolesische Funk- und Soul-Sänger Roger Damawuzan, neben Künstlern wie James Brown und Otis Redding eines seiner großen Vorbilder. Peter Solo wuchs in einem faszinierenden Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne auf: Seine Mutter war eine Voodoo-Priesterin und praktizierte täglich Voodoo, während sein katholischer Vater, ein Polizist, jeden Morgen Platten hörte.

Vaudou oder Voodoo

In Togo wird Voodoo Vaudou genannt und unterscheidet sich stark vom haitianischen Voodoo – ein Thema, über das Peter Solo stundenlange Vorträge halten kann. Sein Anliegen ist es, die Vaudou-Kultur nicht nur zu bewahren, sondern sie auch international bekannt zu machen. Dabei möchte er die Gemeinsamkeiten zwischen der Trance-orientierten Vaudou-Musik und dem Funk und Soul der 1960er- und 1970er-Jahre aufzeigen. Solo beschreibt seine Musik als "Back to the Future".

Seine zentrale Botschaft lautet: Vaudou ist keine Religion, nichts Satanisches, Unheilvolles oder Hexerei. Vaudou ist eine Lebensphilosophie, die für Frieden, Liebe, Respekt, Toleranz und Musik steht – und für eine tiefe Verbindung zur Natur. Solo ist nicht nur ein faszinierender Performer, sondern wird, wenn er über Vaudou spricht, fast zu einer Art Prediger – ein man with a message.

Diese Botschaft findet sich auch in seinen Songtexten wieder, die oft gesellschaftliche und politische Themen behandeln. Schon im Albumtitel Fintou steckt eine klare Aussage: In der Mina-Sprache bedeutet Fintou "zurückzahlen". Für Peter Solo steht das für die Schuld, die die Menschheit der Natur gegenüber hat, oder für Dinge wie die Kolonisation, die zwischen Völkern geschehen sind und die noch beglichen werden müssen.

Nana Benz du Togo & andere Gäste

Im Song Râler glänzt die spanische Sängerin und Musikerin Clara Serra López mit ihrer sinnlich-souligen Stimme. Außerdem sind zwei Bands vertreten, die Peter Solo selbst ins Leben gerufen hat: das Quintett Nana Benz du Togo und das Trio Lomevio.

Die Sängerinnen der Frauenband Nana Benz du Togo übernehmen auf dem Album alle Backgroundchöre. Die Band ist nach den legendären Händlerinnen benannt, die in den 1960er- und 1970er-Jahren die bunten Waxprint-Stoffe in Togo vertrieben. Diese Frauen waren unabhängig, wohlhabend und wurden durch ihre Mercedes-Benz-Autos, mit denen sie ihre Waren durch Lomé transportierten, berühmt. Heute setzen sich die jungen Nana Benz du Togo für die Rechte der Frauen in Togo und den Erhalt der Voodoo-Kultur ein.

Die zweite Band, Lomevio, hat eine ganz besondere Entstehungsgeschichte. Sie ging aus einem Straßenkinder-Projekt hervor, das Peter Solo während der Corona-Pandemie 2020 ins Leben rief. In Togo wurde damals ein striktes Ausgangsverbot verhängt, und den Straßenkindern wurde gesagt, sie müssten nach Hause gehen – doch die Straße war ihr Zuhause.

Solo fuhr gemeinsam mit seinem Pianisten nach Lomé und konnte mit Unterstützung von UNICEF diesen Kindern helfen. Er stellte ihnen Instrumente zur Verfügung und bot ihnen über Wochen hinweg eine musikalische Ausbildung an. Ursprünglich waren es 25 Kinder im Alter von 10 bis 14 Jahren, die teilnahmen. Drei von ihnen blieben dabei, gründeten das Trio Lomevio und können sich heute mit ihrer Musik selbst versorgen.

Von Lomé nach Lyon und zurück

Vaudou Game haben ihr Headquarter seit Jahren in Lyon, doch Peter Solo ist oft in Lomé. Dort produziert er andere Künstler*innen und nimmt seine Alben im legendären Otodi-Studio auf. Dieses 1958 erbaute analoge Studio war bis in die 1980er-Jahre ein Hotspot für Stars wie Manu Dibango. Danach verfiel es in einen Dornröschenschlaf – bis Peter Solo es wieder zum Leben erweckte. Der Retro-Charme der Musik von Vaudou Game ist sicher auch diesem besonderen Ort geschuldet.

Fintou ist ein brillantes Album: Voller hypnotischer Grooves und herrlicher instrumentaler Akzente besitzt es ein energiegeladenes, tanzanregendes Level, das gleichzeitig Raum für spirituelle und soulige Momente lässt. Die prägnanten Bläsersätze tragen die Melodien, während Peter Solos Gitarre tänzelnd durch die Songs führt. Seine Stimme, die singend, kreischend, schreiend oder manchmal sprechend auf Französisch und Mina ertönt, zaubert uns dabei ein Lächeln ins Gesicht.