Diskriminieren von Minderheiten – Wie das Regime Menschen gegeneinander ausspielt
COSMO Video. 55:43 Min.. Verfügbar bis 10.11.2025. COSMO.
Diskriminieren von Minderheiten – Wie das Regime Menschen gegeneinander ausspielt
Stand: 10.11.2023, 00:00 Uhr
Ein Vielvölkerstaat, der seine Vielfalt unterdrückt. Iran gilt in der Region als eines der vielfältigsten Länder, was ethnische und religiöse Minderheiten angeht. Doch anstatt das zu zelebrieren, werden die Menschen systematisch unterdrückt. Darüber spricht "Iran im Herzen"-Host Shanli Anwar mit Linken-Politiker Shoan Vaisi und WDR-Journalistin Isabel Schayani.
"Divide et Impera" – so wird eine Taktik zum Machterhalt bezeichnet, die diktatorische Regime, wie das in Iran, sich zu Eigen machen. Indem Konflikte zwischen ethnischen und religiösen Minderheiten geschürt werden, stellt das Regime sicher, dass sich die verschiedenen Bevölkerungsgruppen nicht zusammentun und gegen die Führung rebellieren. Eine Taktik, die in Iran aufgegangen ist – bis zum September 2022.
Denn als die junge Kurdin Jina Mahsa Amini getötet wird und damit die Frau-Leben-Freiheit- Bewegung ins Rollen kommt, ist eine bisher nie dagewesene Solidarität in der iranischen Bevölkerung zu spüren. Gleichzeitig sind es aber gerade die Menschen zum Beispiel in den kurdischen Gebieten des Landes, gegen die das Regime besonders hart vorgeht.
Die systematische Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung hat Linken-Politiker Shoan Vaisi am eigenen Leib erfahren. Er ist Kurde und hat schon in seiner Kindheit die ersten Berührungspunkte mit der repressiven Politik des iranischen Regimes gehabt. Im Grunde seit seiner Geburt.
WDR-Journalistin Isabel Schayani weiß wiederum, wie es um das Leben der Bahá'i in Iran steht. Dabei handelt es sich um die größte, nicht-muslimische Religionsgruppe im Land. Eine vergleichsweise junge Religion, die ihren Ursprung in Iran hat - deren Anhänger:innen aber systematisch unterdrückt werden. Die Bahá’í dürfen im Grunde nicht am öffentlichen Leben teilnehmen. Sie gelten in den Augen des Regimes als "unrein". Schayani, die selbst praktizierende Bahá’í ist und in ihrer Arbeit bei WDRfouryou viel Kontakt mit geflüchteten Menschen auch aus Iran hat, schildert in der neuen Folge von "Iran im Herzen" die Begegnung mit einem neuangekommenen Bahá'i.
Neben religiösen und ethnischen Minderheiten geht Isabel Schayani auch auf die Lage von afghanischen Menschen in Iran ein. Mehr als drei Millionen leben in Iran, Zweidrittel davon ohne Aufenthaltspapiere. Ihr Leben ist prekär, über Generationen hinweg leben sie am Rande der Gesellschaft. Haben nicht mal das Recht eine einfache SIM-Karte zu kaufen, auch der Zugang zum Bildungssystem und zu medizinischer Versorgung ist erschwert.
Bei all der Unterdrückung gibt es aber seit Beginn der Frau-Leben-Freiheit-Bewegung das Gefühl, dass die verschiedenen Minderheiten immer mehr Solidarität erfahren. Es ist ein neues Bewusstsein über die Vielfalt des Landes entstanden, beschreibt Shoan Vaisi, und eine nie dagewesene gegenseitige Unterstützung. Auch wenn die revolutionäre Bewegung jetzt sehr unter Druck geraten ist, gibt diese Entwicklung auch Hoffnung für eine mögliche "Bundesrepublik Iran", in der ethnische Minderheiten mehr über ihre Regionen bestimmen können, ohne dass ihnen direkt Spaltungstendenzen vorgeworfen werden.
Isabel Schayani ist Tochter eines iranischen Vaters und einer deutschen Mutter. Die Journalistin und Autorin gehört der Religionsgruppe der Bahá'i an und ist in der Kölner Bahá'i Gemeinde aktiv. 2015 hat Schayani die Plattform WDRforyou gegründet mit dem Ziel, neu in Deutschland ankommende Geflüchtete Informationen, aber auch einen digitalen Ort des Austauschs zu bieten. Neben Menschen aus Syrien liegt ein Fokus auf Menschen mit iranischen und afghanischen Wurzeln. Journalistisch beschäftigt sich die Weltspiegel-Moderatorin schon viele Jahre mit Themen wie Migration, Integration und Vielfalt und bringt diese auf unaufgeregte Weise dem Publikum näher.
Shoan Vaisi wurde 1990 in Sanandaj in Iran geboren. Er ist Kommunalpolitiker in Essen und sitzt für Die Linke im Stadtrat. Von früh an setzte er sich für die Rechte der kurdischen Bevölkerung ein und wurde dafür vom iranischen Regime unter Druck gesetzt. 2011 musste er das Land verlassen und floh nach Deutschland. Die kurdischen Menschen in Iran hätten das Ziel einer föderalen Struktur, ähnlich wie die Bundesländer in Deutschland, sagt Vaisi. In Deutschland hat er 2021 für den Bundestag kandidiert. Nachdem das nicht geklappt hat, setzt er sich weiter auf kommunaler Ebene für eine offene Gesellschaft ein.