AnnenMayKantereit – Es ist Abend und wir sitzen bei mir

Stand: 03.03.2023, 00:00 Uhr

Nostalgie, Heimat und die Erleichterung, Alltägliches wieder ohne Kontaktbeschränkungen zu erleben, versammeln sich auf dem vierten Album von AnnenMayKantereit – dieses ganz normale "Es ist Abend und wir sitzen bei mir"-Gefühl.

Von Oliver Rustemeyer

Das vierte Album von AnnenMayKantereit ist ein Produkt seiner Zeit. Kommt mit Erleichterung aus der Isolation, ohne plötzlich sorglos in Euphorie zu verfallen. Kommt mit der Sehnsucht nach dem Alltäglichen, das auf einmal gar nicht mehr so selbstverständlich erscheint: nach eben diesem ganz normalen "Es ist Abend und wir sitzen bei mir"-Gefühl ohne Kontaktverbot, nach dem "Ausgehen", dem Flutlicht überm Ascheplatz, dessen Leuchten "Kein Stern" erreicht, nach der Zeit in der "Weisshausstraße" "Als ich ein Kind war". Oder ganz einfach nach "Erdbeerkuchen" und "3 Tage am Meer".

Nostalgie und Erdbeerkuchen

"Es ist Abend und wir sitzen bei mir" ist aber trotz nostalgischer Gefühlswelt, der Sehnsucht nach Langsamkeit und Entschleunigung ("Als ich ein Kind war" mit Modem-Einwahl-Sound, "Orangenlied") kein Konzeptalbum wie sein Vorgänger. Dafür sind seine Einzelteile zu extrem. Die schnelle und wuchtige "Katharina" kollidiert direkt mit dem Demo-Charme des akustischen Stillebens "Verliebt sein", das lockere, unbeschwerte "3 Tage am Meer" trifft auf das Melancholische im Titelsong, ein simpler, zweiakkordiger "Erdbeerkuchen" auf Rauschgift im bewegenden "Heute Abend wird es regnen". 

Gegangen, um zu bleiben

Am Ende ("Tommi") verfällt Henning May sogar ins Kölsche. Manchmal muss man eben nach Berlin gehen, um zurück im Proberaum in Köln-Ehrenfeld ein Album einzuspielen. Man muss weggehen, um anzukommen. In der Heimat, in Melancholie und Nostalgie.