Tagsüber schuftet der junge Adam Bede in der Schreinerei von Master Burge. Weil Vater Matthis oft im Wirtshaus sitzt, übernimmt er die Verantwortung für Mutter Lisbeth und Bruder Seth: Gleich im ersten Kapitel lernen wir den gebildeten und fleißigen Zimmermann kennen. Eliot wählt für ihren ersten Roman einen Mann aus der "Arbeiterklasse" als titelgebende Figur.
Dramatischer Höhepunkt der Geschichte rund um ein Liebesquartett ist ein vermeintlicher Kindsmord. Adam ist in die schönes Hetty Sorrel verliebt. Die aber hat sich auf eine Liebelei mit dem jungen Adeligen Arthur Donnithorne eingelassen und trägt ein schreckliches Geheimnis mit sich herum. Figuren und Leser erfahren überraschend, dass Hetty von Arthur schwanger war und nun des Mordes an dem Kind angeklagt wird.
Eliot, die eigentlich Mary Ann Evans hieß, und unter männlichem Pseudonym schrieb, porträtiert in "Adam Bede" das Landleben in den englischen Midlands im ausgehenden 18. Jahrhundert. Es war das erklärte Ziel der Schriftstellerin, auch Bauersleute und ihr Leben wirklichkeitsnah dazustellen und nichts zu beschönigen.
Bemerkenswert sind die psychologisch detaillierten Charakterisierungen, die auf große Menschenkenntnis schließen lassen. Immer wieder mischt sich ein Erzähler bzw. wohl eine Erzählerin die Geschichte ein. Neben Figuren der Oberschicht wie Pastor Irwine oder dem adelige Arthur Donnithorne haben auch die Laienpredigerin Dina, die sich um die Armen in den entstehenden Fabriken kümmert, und die resolute Pächtersfrau Mrs. Polsey einen großen literarischen Auftritt.
Obwohl der Roman aus dem 19. Jahrhundert stammt, erzählt er, wie Geschlecht und Klasse als Kategorien der Benachteiligung ineinandergreifen. Als Frau und Angehörige einer niederen Klasse hat Hetty keine Handlungsmöglichkeiten, sich selbst zu helfen und ist der Ächtung durch die Gesellschaft ausgesetzt. Hören wir also auf die Zwischentöne! Wie geht eine Schriftstellerin, die in der männerdominierten Literaturwelt erfolgreich sein will, mit einer "Sünderin" wie Hetty um?
Regina Münch liest "Adam Bede" in voller Länge in der leicht modernisierten Übersetzung von Julius Freese. Gastgeberin Rebecca Link lädt ein, sich mit Lesung und Talk mit George Eliots erstem großen Werk und der Poetik des englischen Romans im 19. Jahrhundert auseinanderzusetzen.