45 Prozent der Menschen in Deutschland über 16 Jahren haben in ihrem Leben schon einmal Altersdiskriminierung erlebt. Das ist fast jede zweite Person. Das sind die zentralen Ergebnisse einer aktuellen repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GMS im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Das Institut hat im März über 2.000 Menschen in Deutschland befragt.
Die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland ist heute älter als 45 Jahre, fast jede dritte Person ist über 60 Jahre alt, Tendenz: steigend. Der Umfrage zufolge erleben Menschen Benachteiligung vor allem im Arbeitsleben: 39 Prozent berichten von Altersdiskriminierungen in ihrem Job und im Beruf, 27 Prozent der Befragten im Gesundheitsbereich und 24 Prozent bei Geschäften und Dienstleistungen. Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt haben 22 Prozent der Befragten erlebt. Auch die Digitalisierung führte zu Benachteiligungen: 11 Prozent gaben an, sich dadurch diskriminiert zu fühlen. Wenn immer mehr Banken ihre Filialen schließen und Überweisungen nur noch online durchgeführt werden können, oder wenn Arzttermine nur noch über das Internet vergeben werden, dann trifft es die, die nicht mit dem Internet aufgewachsen sind, besonders.
In der Gruppe der Menschen ab 45 Jahren wird Altersdiskriminierung vor allem im Arbeitsleben wahrgenommen: Über ein Drittel, 39 Prozent der Befragten, haben schon mal im Job aufgrund ihres Alters Benachteiligung erlebt. Vor allem Frauen ab Mitte 40 und Männer ab 50 Jahren berichten von Diskriminierungen am Arbeitsplatz, beim Ausscheiden aus dem Arbeitsleben oder bei der Arbeitssuche: "Sie passen leider nicht in unser junges Team" – so lautet die teilweise sehr offene Ablehnung, die sich Bewerber:innen anhören müssen. Ein weiteres Beispiel ist, dass älteren Mitarbeitenden oft die Fortbildung verweigert wird – weil sie dafür "zu alt" seien.
Fast ein Drittel, 27 Prozent, der Befragten schildern Altersdiskriminierung im Gesundheitsbereich. "Das lohnt sich nicht mehr" – ein Satz, den sich ältere Patient:innen oft von Ärzt:innen anhören müssen, wenn es um Behandlungsoptionen, Therapieangebote oder psychische Erkrankungen geht. Statt einer Therapie werden älteren Menschen dann Tabletten verschrieben.
24 Prozent der Befragten schildern Altersdiskriminierung bei Geschäften und Dienstleistungen. Da erhöhen sich Versicherungsbeiträge, sobald die Betroffenen gewisse Altersgrenzen überschreiten. Auch Kredite, die wegen des Alters nicht mehr bewilligt werden, zählen dazu. Und auch auf dem Wohnungsmarkt erleben ältere Menschen häufig eine Benachteiligung.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das es seit 2006 gibt, verbietet eigentlich Diskriminierung aufgrund des Alters im Arbeitsleben und bei Alltagsgeschäften. Wer hier Altersdiskriminierung erlebt, kann einen Anspruch auf Beseitigung der Diskriminierung, Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend machen. Aber auch 20 Jahre nach der Verabschiedung gilt: Im wichtigsten Gesetz Deutschlands, dem Grundgesetz, gibt es bislang kein Verbot der Altersdiskriminierung. Anders als Geschlecht, Herkunft, Religion oder Behinderung ist das Merkmal Alter nicht vom Diskriminierungsschutz in Artikel 3 GG erfasst. Das führt dazu, dass es deutlich schwerer ist, auf Diskriminierungen auf einem Amt oder durch die Polizei zu reagieren.
Umso mehr gilt es, für Altersdiskriminierung zu sensibilisieren und auf die Bedürfnisse älterer Menschen einzugehen, sagt Ferda Ataman. Die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung fordert daher auch, dass sich die künftige Bundesregierung stärker für Antidiskriminierung und gegen Benachteiligungen wegen des Alters engagieren muss.
Wurden Sie schon mal aufgrund ihres Alters diskriminiert? Ist das Bild von älteren Menschen heute ein anderes als in den 80er- oder 90er-Jahren? Spüren Sie mehr Anerkennung in der Arbeitswelt, der oft der Nachwuchs fehlt? Sollte auch Altersdiskriminierung im Grundgesetz verankert werden? Was muss innerhalb unserer Gesellschaft passieren, damit Benachteiligung aufgrund von Alter genauso anerkannt wird, wie Diskriminierung aufgrund von Herkunft oder Geschlecht?
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Gast: Elke Schilling, Gründerin von Silbernetz e.V.
Redaktion: Willi Schlichting und Lars Schweinhage