Drei Männer stehen auf einer Wiese, die Hände feierlich zum Schwur erhoben: "Wir wollen frei sein wie die Väter waren, eher den Tod als in der Knechtschaft leben..." So beschwört Friedrich Schiller den Moment herauf, in dem sich Bauern gegen Fürsten vereinen und damit den Startschuss für einen Aufstand geben, der schließlich die Tyrannei der Habsburger bricht. Eine Geschichte, die so gut in die freiheitsbewegte Zeiten zu passen scheint, dass Schiller daraus seinen "Wilhelm Tell" macht.
Unsichere Zeiten
Der Rütli-Schwur als Geburtsstunde der Schweiz? So einfach ist es nicht. Der Prozess, der aus vielen Alpen-Regionen eine Nation schmiedet, ist kompliziert. Fest steht, dass die Zeiten nach dem Tode des Habsburger-Königs Rudolf im Juli 1291 unsicherer werden. Dagegen wollen sich die lokalen Führer wappnen: Sie schließen einen Bund - ohne Schwur, aber mit Brief und Siegel.
Kein Aufruf zum Aufstand
Dieser Bundesbrief, datiert auf Anfang August 1291, ist erhalten, ein eher unspektakuläres Stück Pergament mit einem wenig dramatischen Inhalt. Die Tal-Gemeinschaften Uri, Schwyz und Unterwalden halten darin fest, wie strafrechtliche Verfahren ablaufen und Streitigkeiten untereinander geregelt werden sollen. Sie sichern sich darin auch gegenseitige Hilfe gegen jeden zu, der ihnen Gewalt antut.
Aber: Sie rufen nicht zum Aufstand auf. Der Bundesbrief garantiert "die bestehende Herrschaftsordnung im Interesse der lokalen Eliten", heißt es offiziell auf einer Seite der Schweizer Regierung, sie "entspricht keineswegs einem revolutionären Akt der bäuerlichen Selbstbestimmung".
Abkehr von der "Befreiungstradition"
Das ist eine moderne Sicht der Dinge. Jahrhundertelang wird die "Befreiungstradition" hoch gehalten, die eine direkte Linie vom Bundesbrief zum demokratischen Bundesstaat zieht. Und dass, obwohl der angebliche Freiheitskampf unterdrückter Bauern mitsamt Rütli-Schwur erst 180 Jahre später in einer Chronik erwähnt wird.
Trotzdem: Der Gründungsmythos wird Pflichtstoff für jedes Schweizer Schulkind, 1891 zum 600. Jubiläum eine nationale Feier anberaumt, kurz darauf der 1. August zum Bundesfeiertag erhoben. Später bekommt das Dokument sogar ein eigenes "Bundesbriefmuseum" in Schwyz.
Ein Bund von vielen
Heute gilt der Bundesbrief als Symbol, nicht mehr als das Gründungsdokument der Schweiz. Dafür gibt es einfach zu viele solcher Bündnisse in der langen Geschichte des Alpenraums. Und auch der Besucherandrang im Museum hat deutlich nachgelassen: Der Blick der Schweizer auf die eigene Geschichte ist nüchterner geworden.
Autor des Hörfunkbeitrags: Hans Conrad Zander
Redaktion: Ronald Feisel
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 01. August 2021 an das "Ewige Bündnis" von 1291. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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