Eigentlich wollte der 1. FC Köln am Dienstagabend mit seiner traditionellen Karnevalssitzung entspannt die jecke Zeit einläuten. Doch seit Sonntag dreht sich alles nur noch um die Geschmacklosigkeit der Derby-Choreografie aus der FC-Fanszene: Die Darstellung einer Figur, die der Glücksgöttin Fortuna ein Messer an den Hals hält, ruft Entrüstung und Empörung hervor - insbesondere aus der Politik.
Als Leidtragende hätte Henriette Reker ihr eigenes Schicksal betonen können. Doch die Kölner Oberbürgermeisterin, die vor knapp zehn Jahren bei einem Messerattentat lebensgefährlich verletzt wurde, blickte vielmehr auf die Entwicklung in der Gesellschaft. Sie sprach von "Ignoranz" der Verantwortlichen des FC.
"Bestürzung kann ich nachvollziehen"
Schließlich hatten diese zugelassen, dass beim Derby gegen Fortuna Düsseldorf in der Südkurve ein riesiges Banner entrollt wurde, das nicht "nur" für die 50.000 Zuschauer im Stadion zu sehen war, sondern weltweit für alle Interessierten via TV-Übertragung.
Die Choreografie hatten Geschäftsführer Christian Keller und Co. durchgewunken, obwohl ihnen das Motiv nicht zusagte. "Wir haben nichts Diskriminierendes gesehen und auch keinen Aufruf zur Gewalt", sagte Keller, es habe sich um "eine comichafte Darstellung von zwei Fantasiefiguren" gehandelt. Die Wirkung aber hatten die Verantwortlichen offenbar dramatisch falsch eingeschätzt. "Wenn das Motiv den einen oder anderen bestürzt, kann ich das nachvollziehen", räumte Keller ein, der Aspekt der Sicherheit sei aber wichtiger gewesen.
Reul spricht von "Skandal"
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul bezeichnete diese Haltung der Kölner Bosse als den "nächsten Skandal", die "Sache" werde "auch noch heruntergespielt". Die Verantwortlichen, also insbesondere Keller, in dessen Geschäftsbereich auch das Ressort Fußball- und Fankultur fällt, hätten laut Reul "einschreiten" müssen, das Plakat also verbieten.
Reker betonte vor allem die fatale Ignoranz, die eine Freigabe einer solchen Choreografie in unruhiger Zeit vermittelt. "Wir erleben derzeit eine ganze Reihe an Angriffen, auch von Messerattacken, und viele Menschen in unserem Land haben Angst", sagte sie: "Da wäre es angebracht und notwendig, solche Motive zu unterbinden und nicht auch noch zu fördern."
Unklar ist, wann die Kölner Fans das Motiv der Choreografie vorgelegt haben und wie weit sie in den Vorbereitungen waren. Eine solche Produktion nimmt immens viel Arbeitszeit in Anspruch - und sie kostet viel Geld. Unabhängig davon hätte die Geschäftsführung hier eine Konfrontation mit den Fans eingehen müssen - auch wenn sie diese seit jeher vermeidet und ein Verbot möglicherweise Gewalt oder andere nicht einzuschätzende Reaktionen provoziert hätte.
"Wenn die Rivalität sich nur auf dem Platz abspielen soll, muss man an einer anderen Stelle Zugeständnisse machen. Unabhängig davon, ob es einem gefällt oder nicht", sagte Keller: "Wenn ich mir ein Motiv wünschen würde, wäre ein anderes drauf. Wenn aber das die einzige kritische Beanstandung nach so einem Derby ist, kann ich damit leben."