Zwei Monteure tragen das überdimensionale Buch "Das Parfum" von Patrick Süskind durch eine Halle.

Stichtag

26. Februar 1985 – "Das Parfum" von Patrick Süskind erscheint

Eigentlich hat Konrad Rufus Müller es mit Menschen zu tun, die gerne im Rampenlicht stehen. Alle Kanzler der Bundesrepublik Deutschland hatte er schon vor seiner Linse, ebenso wie Sportler, Schauspieler und andere Prominente. Umso merkwürdiger muss ihm sein Treffen 1983 mit dem noch unbekannten Schriftsteller Patrick Süskind in Paris erscheinen.

Müller ist in Paris, um Mitterand zu fotografieren, Süskind sitzt in seiner Kemenate, an deren Wand ein Stadtplan vom Paris des 18. Jahrhunderts hängt, und schreibt. Die Männer treffen sich jede Woche, der Fotograf ist vom Autor in seiner Einsiedelei inmitten der Großstadt offensichtlich fasziniert. "Das Zimmer war so klein, er hatte da ein Bett drin und einen Stuhl", wird sich Müller später erinnern. "Und er hatte einen zweiten Stuhl mit Fäden unter die Decke gezogen, und wenn dann ein Besucher kam, dann wurde der Stuhl heruntergelassen und dann konnte man sitzen."

Auf dem kleinen Tisch liegt immer ein akkurater Stapel mit Papieren. Das oberste Blatt ist weiß, diagonal darüber liegt Süskinds Stift. Was sich darunter befindet, ist geheim. "Ich hätte mich gefreut, wenn er es mir erzählt hätte, wenn er mir mal etwas vorgelesen hätte", sagt Müller. "Aber das ist in seinem Charakter überhaupt nicht vorhanden: sich zu öffnen."

Ruchloser Killer

Das, was der scheue Süskind in seiner Pariser Kammer vor Müller und der Öffentlichkeit verbirgt, ist das Manuskript zu einem der größten Bestseller der deutschen Literaturgeschichte: zum Roman "Das Parfum", der am 26. Februar 1985 erscheint. Das Buch erzählt die Geschichte des Parfümeurs Jean-Baptiste Grenouille, der, selbst geruchlos, auf der Jagd nach dem perfekten Wohlgeruch durch das Paris des 18. Jahrhunderts streift und betörend duftende Mädchen mordet. Am Ende gelingt Grenouille das Ersehnte. Der ruchlose Mörder schmückt sich mit dem idealen Duft und wird von der Welt endlich wahrgenommen – allerdings anders als erhofft.

"Jeder wollte ihn berühren, jeder wollte einen Teil von ihm haben. Sie rissen ihm die Kleider, die Haare, die Haut vom Leibe, sie zerrupften ihn, sie schlugen ihre Krallen und Zähne in sein Fleisch", heißt es im Roman.

20 Millionen Bücher

Als "Das Parfum" 1985 auf den Markt kommt, wird es zur literarischen Sensation. Zwei Jahre später sind bereits über eine Million Exemplare in 23 Sprachen verkauft. 470 Wochen steht das Buch auf der Bestsellerliste des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Bis heute sind über 20 Millionen Bücher des Romans, der inzwischen in 48 Übersetzungen vorliegt, über die Ladentische gewandert.

"Das Parfum" macht auch seinen öffentlichkeitsscheuen Autor zum Medienstar. International bekannte Regisseure buhlen um die Verfilmungsrechte. 16 Jahre braucht der Produzent Bernd Eichinger letztlich, um sie ihm abzuringen. Dieses Werben verarbeitet Süskind später im Drehbuch zum Film "Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief" (1997) von Helmut Dietl. Auch Eichingers mehrfach ausgezeichnete "Parfum"-Verfilmung wird ein Riesenerfolg. Innerhalb eines Jahres lockt sie rund 5,6 Millionen Besucher in die Kinos.

Trotz des Rummels gibt es nur vier Interviews von Süskind. Und vier Fotos. Unter anderem von Konrad Rufus Müller.

Stand: 26.02.2015

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