Schnuckelig wie Donald Ducks Comic-Auto in Entenhausen wirkt das knallrote Wägelchen heute. Nach Kriegsende aber lässt dieser Cabrio-Winzling viele Deutsche mit schmalem Geldbeutel vom ersten eigenen Wagen träumen. Denn mit dem F 125 von Kleinschnittger beginnt 1950 die kurze Blütezeit preisgünstiger, stilistisch oft skurriler Kleinstautos, mit denen findige Konstrukteure damals die mobilen Wünsche kleiner Leute erfüllen.
Als "Leichtmotorrad mit vier Rädern und Regenschirm" hat der Ingenieur Paul Kleinschnittger seinen robusten zweisitzigen Straßenfloh konzipiert. Auf der Suche nach einer Produktionsstätte wird der gebürtige Sauerländer in Arnsberg fündig. Finanziell unterstützt von einem Hamburger Kaufmann, errichtet Kleinschnittger dort 1949 auf einer von Bomben zerpflügten Trümmerbrache sein eigenes Autowerk.
Leichtgewicht ohne Rückwärtsgang
Mit zahlreichen Metall verarbeitenden Betrieben im Sauerland und dem nahen Ruhrgebiet als Absatzmarkt hat Paul Kleinschnittger in Arnsberg den idealen Standort gefunden. Fließbänder kann sich der Autopionier nicht leisten. Deshalb montieren 50 Beschäftigte den Wagen auf Rollböcken, mangels Maschinen ist Handarbeit Trumpf. Wegen des noch äußerst knappen Stahls lässt Kleinschnittger seinen mit einem Notdach ausgerüsteten Roadster aus Aluminium bauen. Türen sind dank der tief ausgeschnittenen Seitenwände überflüssig. Als Stoßdämpfer dient eine Federung aus Gummibändern. Reifen und Schläuche stammen von Lastenfahrrädern.
Dank der Alu-Karosserie wiegt der Kleinschnittger nur 170 Kilogramm. Sechs PS reichen aus, um ihn auf 70 km/h zu beschleunigen. Gestartet wird der Frontmotor per Seilzug, wie bei einem Rasenmäher. Auf einen Rückwärtsgang müssen Käufer allerdings verzichten; kein Problem bei diesem sportlichen Leichtgewicht: Zwei kräftige Arme reichen, um das Wägelchen zu drehen oder in eine Parklücke zu heben. In langer Reihe hinter einer Fiat-Limousine angehängt, rollen am 25. April 1950 die ersten Kleinschnittger F 125 vom Werksgelände zum Arnsberger Bahnhof.
Am Ende nur noch Ersatzteillager
Bei einem Preis von rund 2.300 D-Mark verkauft sich der Kleinschnittger anfangs bestens. Mit der rasant einsetzenden Konjunktur steigen aber nicht nur die Einkommen, sondern auch die Kundenansprüche – und die Konkurrenz schläft nicht: Mitte der 50er Jahre müssen sich die Arnsberger bereits gegen Borgwards "Leukoplastbomber" Lloyd, den Messerschmitt-Kabinenroller, das Goggomobil und die BMW-Isetta behaupten. Ein Ausbau des Werks und die Entwicklung eines komfortableren F 125-Nachfolgers sind dringend nötig. Doch bei sinkenden Verkaufszahlen kommt dafür zu wenig Geld in die Kasse.
Als Kleinschnittgers Hausbank im Sommer 1957 höhere Kredite verweigert, ist der Konkurs nicht mehr aufzuhalten. Nach knapp 3.000 produzierten Wagen muss Paul Kleinschnittger alle Expansionsträume begraben und die Autoproduktion aufgeben. Der 47-Jährige übernimmt die Ersatzteile aus der Konkursmasse und versorgt damit weiter die F 125-Besitzer. In seiner Fabrik stellt er nun Zulieferartikel für die Elektroindustrie her. Auf technische Tüfteleien aber mag Paul Kleinschnittger nicht verzichten. Bis zu seinem Tod im Januar 1989 entwirft er unter anderem Hubschrauber, Go-Karts und Motor-Fahrräder, die alle nie gebaut werden.
Stand: 25.04.2015
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