Könnte König Georg V. sehen, wie charmant und professionell sein Ururenkel Prinz William heute den Fotografen zulächelt, wäre er sicher "not amused". Denn von royaler PR hält der König des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Irland sowie Kaiser von Indien Anfang des 20. Jahrhunderts überhaupt nichts. Als man ihn bittet, bei offiziellen Anlässen weniger Ernst und staatstragend in die Kameras zu blicken, antwortet er kurz angebunden: "Wir Segler lächeln niemals im Dienst!"
Georg V. besteigt nach dem Tod seines Vaters Prinz Eduard VII. 1910 den britischen Thron. "Heute war ein großer und denkwürdiger Tag in unserem Leben. Unsere Gäste speisten mit uns um halb neun zu Abend. War ziemlich müde. Zu Bett um Viertel vor zwölf", schreibt er in sein Tagebuch. Er lässt die Krönung mehr über sich ergehen, als dass er den Trubel genießt. Große Gesellschaften sind ihm ein Graus, zu seinen Hobbys zählen Segeln, die Jagd und Briefmarkensammeln. Anders als sein Vater Eduard VII., der das Leben mit Partys, Frauen und Glücksspiel genossen hat, ist Georg V. zeitlebens ein Musterbeispiel an Disziplin und Moral.
Thronfolger ohne Laster
Damit entspricht der am 3. Juni 1865 geborenen Georg V. den Wünschen seiner Großmutter Königin Viktoria: "Ich hoffe, du wirst ein guter, gehorsamer, aufrichtiger Junge werden, der zu jedermann freundlich und bescheiden ist und in allen Dingen pünktlich und in Deinen Pflichten genau." Als zweiter Sohn von Eduard VII. und dessen Gemahlin Alexandra von Dänemark rückt Georg erst zum Thronfolger auf, als sein großer Bruder - der wie sein Vater einen leichten Lebenswandel führt - jung stirbt. Voller Pflichterfüllung stellt sich Georg V. den Anforderungen an einen Thronerben und heiraten sogar die Braut, die für seinen Bruder vorgesehen war.
Maria von Teck erweist sich als Glücksgriff: Aus der von Königin Victoria arrangierten Ehe wird ein Liebesbund. Gemeinsam bekommen sie sechs Kinder. Die spätere Queen Mary unterstützt ihren Gatten, wo sie nur kann und er bleibt ihr sein Leben lang treu. Klatsch und Glamour wie die heutigen Royals hat das Königspaar dem Publikum allerdings nicht zu bieten, dafür wird es zur festen Institution der Briten in einer turbulenten Zeit. Als Georg V. aufgrund von Bündnisverpflichtungen 1914 die Kriegserklärung an Deutschland unterschreibt - genauer gesagt, an seinen Cousin, Wilhelm II. - schimpft er: "Ich halte ihn für den größten bekannten Kriminellen, weil er die Welt in diesen grässlichen Krieg gestürzt hat und die Welt zu beherrschen wünschte."
Aus Sachsen-Coburg-Gotha werden die Windsors
Der Hass der Briten auf alles Deutsche richtet sich im Ersten Weltkrieg auch bald gegen den König selbst – gilt er doch wegen deutscher Vorfahren als verkappter Teutone. Um den Fortbestand der Monarchie zu bewahren, entscheidet sich Georg gegen Kriegsende zu einem spektakulären Schritt: Im Juli 1917 verzichtet er auf alle deutschen Titel und den Namen seines Stammhauses Sachsen-Coburg-Gotha. Stattdessen nennt sich die Königsfamilie von nun an "Die Windsors". Auch andere lästige Verwandte lässt der König hinter sich: Seinem Cousin Zar Nikolaus II. verweigert er nach dessen Absetzung 1917 Asyl in Großbritannien - wohl aus Angst, dass die Gegenwart des Zaren auf britischem Boden die Revolution nach Großbritannien tragen könnte.
In den wirtschaftlich schweren Nachkriegsjahren erweist sich der pflichtbewusste König als stabilisierende Größe für die Briten. Nach den Unterhauswahlen 1923 bildet zum ersten Mal Labour die Regierung. "Der König hat mich nie als einen Minister empfangen, ohne mir das Gefühl zu geben, dass er mich auch als Freund empfing", beschreibt der erste Labour-Minister Ramsey MacDonald seine Besuche im Palast. Ob Georg V. aus reinem Pflichtgefühl ehemalige Ressentiments gegen die Arbeiterpartei überwindet oder schlicht aus Angst davor, sie könnten die Monarchie abschaffen, ist offen.
Die britische Monarchie überlebt und die Popularität des Königs nimmt gegen Ende seiner Amtszeit weiter zu. Im Dezember 1932 überrascht der sonst so fortschrittsfeindliche Georg V. seine Landsleute mit der ersten Weihnachtsansprache im Radio – und begründet damit eine Tradition nicht nur im Vereinigten Königreich. Georg V. stirbt am 20. Januar 1936 an einer Herzschwäche infolge eines schweren Bronchialleidens.
Stand: 03.06.2015
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