Recep Tayyip Erdogan am 3. November 2002 in Istanbul

3. November 2002 - Erdoğans AKP gewinnt türkische Parlamentswahlen

Stand: 03.11.2017, 00:00 Uhr

Die politische Karriere von Recep Tayyip Erdoğan kommt 1994 in Schwung: Der spätere türkische Präsident kandidiert damals erfolgreich als Oberbürgermeister von Istanbul. An seinen politischen Vorstellungen lässt er keinen Zweifel: Erdoğan setzt ein Alkoholverbot in städtischen Lokalen durch, bezeichnet sich selbst als Anhänger der Scharia und fordert getrennte Schulbusse für Jungen und Mädchen.

Auf sein Verhältnis zur Demokratie angesprochen sagt er in einem Zeitungsinterview: "Ist die Demokratie der Zweck oder das Mittel? Wir meinen, dass die Demokratie nicht der Zweck, sondern das Mittel ist."

1997 wiederholt er die Aussage: "Die Demokratie ist nur ein Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind." Damals rezitiert er auch ein Gedicht: "Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten."

Erster Wahlsieg der AKP unter Erdogan (am 03.11.2002)

WDR 2 Stichtag 03.11.2017 04:15 Min. Verfügbar bis 01.11.2027 WDR 2


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Wahlerfolg als Vorbestrafter

Ist Istanbuls Oberbürgermeister ein Islamist, der an die Macht will? Der türkische Staat reagiert: 1998 verbietet das türkische Verfassungsgericht seine Partei, Erdoğan wird wegen "Aufstachelung der Bevölkerung zu Hass und Feindschaft" verurteilt. Vier Monate später wird er vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen. Als Vorbestrafter darf er laut Verfassung allerdings nicht mehr ins türkische Parlament gewählt werden.

Trotzdem gründet Erdoğan im Sommer 2001 eine neue Partei, die "Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung" (AKP). Am 3. November 2002 stellt sie sich erstmals zur Wahl - mit überragendem Erfolg: Die AKP kann im neuen türkischen Parlament mit absoluter Mehrheit regieren. Die bisherigen Regierungsparteien haben offenbar aus Sicht der Wähler die schwere Wirtschafts- und Finanzkrise des Landes zu verantworten: Alle wurden aus dem Parlament geworfen.

Gigantisches Aufbauprogramm

Damit der vorbestrafte Erdoğan regieren kann, wird die Verfassung geändert. Bis dahin ist zunächst der Wirtschaftswissenschaftler Abdullah Gül Ministerpräsident. Dieser beschwichtigt das Ausland: "Wir sind keine Partei der Frommen und der Religion, wir stehen auch im Dienst der weniger Frommen und Atheisten. Vorrang für uns hat eine entschlossene Realpolitik."

Erdoğan drängt die Macht der Militärs zurück und startet ein gigantisches Aufbauprogramm. Dazu gehören neue Straßen, Brücken, Stromleitungen, Krankenhäuser und eine bessere Wasserversorgung. Der Westen sieht im neuen Ministerpräsidenten nun einen Hoffnungsträger: Die EU nimmt Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auf.

Proteste werden niedergeknüppelt

Doch allmählich verändert sich das öffentliche Leben in der Türkei: Religion wird immer wichtiger. Neue Moscheen entstehen, immer mehr religiöse Schulen werden eröffnet, die türkische Frau soll mehr Kinder bekommen. Kopftücher kommen in Mode, Alkohol gilt als verpönt. Im Frühling 2013 kommt es zu Protesten im Istanbuler Gezi-Park, die von der Polizei niedergeknüppelt werden. Es gibt zahlreiche Tote.

Danach wird Kritik schon im Keim erstickt. Zugleich gibt es bürgerkriegsähnliche Zustände im Südosten der Türkei. Türkisches Militär macht Jagd auf die PKK und schießt dabei auf Zivilisten. Immer mehr Oppositionelle und Journalisten werden verhaftet. Der Vorwurf ist stets derselbe: Terrorverdacht.

"Sollen sie mich ruhig Diktator nennen"

Am 15. Juli 2016 putschen Teile des türkischen Militärs. Erdoğan ruft die Bevölkerung zum Widerstand auf. Über 260 Menschen sterben, der Putsch scheitert. Seither regiert Erdoğan, der 2014 Staatspräsident geworden ist, per Dekret. Mittels einer Volksabstimmung wird abermals die Verfassung geändert, um ihm noch mehr Macht zu verleihen.

Kritik aus dem Ausland an Einschränkungen von Menschenrechten, Freiheitsrechten und Pressefreiheit weist Erdoğan zurück: "Sollen sie mich doch ruhig einen Diktator nennen. Das geht zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus."

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 3. November 2017 ebenfalls an den AKP-Sieg bei den türkischen Parlamentswahlen. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

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