Stempel "Arbeitslosengeld"

5. Dezember 1982 - Erster Bundeskongress der Arbeitsloseninitiativen

Stand: 05.12.2017, 00:00 Uhr

"Wir erleben zurzeit eine Arbeitslosigkeit, die schlimmer ist als jene in den Jahren des Wiederaufbaus. Fast jeder 14. Erwerbstätige in der Bundesrepublik ist arbeitslos", sagt der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) im Jahr 1982.

Zwei Millionen Menschen sind betroffen. Unter dem Motto "Arbeitslos, nicht wehrlos" treffen sich 2.000 von ihnen 1982 zum Bundeskongress der Arbeitsloseninitiativen, der wohl erste weltweit. "Wir haben es satt, dass wir Arbeitslosen nur einmal im Monat als Statistik beachtet werden", ruft ein Aktivist den Delegierten in der Frankfurter Universität zu. Und weiter: "Wir haben es ebenso satt, dass wir begafft werden, als wären wir von einem anderen Stern."

Schlafen in Turnhallen

Vorbild für den Kongress ist die Studenten-, Friedens- und Ökologie-Bewegung. Tagsüber debattieren die Arbeitslosen über Bedürftigkeitsprüfungen und ob man sich mit den Gewerkschaften zusammenschließen soll. Nachts schlafen sie im Haus der Jugend, in Turnhallen oder Wohngemeinschaften.

Arbeitslosenkongress endet (am 05.12.1982)

WDR 2 Stichtag 05.12.2017 04:16 Min. Verfügbar bis 03.12.2027 WDR 2


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Nach vier Tagen endet der Bundeskongress am 5. Dezember 1982 – ohne die Gründung eines Dachverbands. Aber die Selbsthilfe der Erwerbslosen erhält einen Schub: Zahllose Initiativen gründen sich, wie das Arbeitslosenzentrum in Frankfurt am Main. "Wir haben damals, ein Jahr nach dem Kongress, ungefähr 900 Initiativen gezählt", sagt Harald Rein vom Frankfurter Arbeitslosenzentrum FALZ.

Wirkliche politische Schlagkraft entwickeln all die Vereine nie, aber dafür erhalten die Arbeitslosen vor Ort wichtige Hilfe. Im FALZ in Frankfurt werden bis heute rund 8.000 Menschen pro Jahr beraten.

Treibt Arbeitslosigkeit Menschen in die Depression?

2003 treten die Hartz IV-Reformen unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in Kraft. "Wir bieten Hilfe an – für die Arbeitslosen – schnell. Aber wir erwarten im Gegenzug, dass diese Hilfe mit eigenen Anstrengungen beantwortet wird", sagt Schröder damals.

Für viele Arbeitslose sind die Hartz-Reformen ein Schlag ins Gesicht. Eine neue Bewegung entsteht. Bis zu 100.000 Menschen gehen bei den Montagsdemonstrationen in verschiedenen Städten auf die Straße.

In Duisburg ist Günther Bittel bis heute fast immer dabei, obwohl er nur kurz nach dem Studium arbeitslos war. "Ich bin Arzt und regelmäßiger Montagsdemonstrant seit 2004", sagt er. Weil er findet, dass die Hartz-Gesetze die Arbeitslosen bekämpfen, nicht die Arbeitslosigkeit.

Als Mediziner bekommt er mit, "wie Menschen dadurch in die Depression getrieben werden und ihnen die Existenzgrundlage entzogen wird", sagt er und will weiter machen. "Das meinen wir ernst und diejenigen, die immer da sind, werden das auch weiter so betreiben", sagt er.

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