Viele Herren bestimmen zu Beginn des 2. Jahrtausends über die Geschicke Japans. Der Tenno im Kaiserpalast von Kyoto genießt zwar noch immer gottgleiche Verehrung, ist aber längst zu einer Marionette degradiert worden. Die wahre Regierungsgewalt üben rivalisierende Klans des Hof- und Schwertadels aus, begleitet von dauernden Fehden um die Vorherrschaft.
Mit diesen Machtkämpfen beginnt Anfang des 12. Jahrhunderts der Aufstieg der Samurai zur unumstrittenen Herrscherkaste. Lange haben die "Dienstmänner", so die Übersetzung von Samurai, ein Dasein als niedere Gefolgsleute der Hofadels gefristet. Doch der Verfall der Ordnung spült Japans stolze Ritter an die Spitze des Reiches. Die Folge sind blutige Feldzüge der führenden Samurai-Familien gegeneinander.
Tödlicher Bruderzwist um die Macht
Kyoto und die großen Klöster rund um Kaisermetropole liegen in Schutt und Asche, als nur noch zwei Samurai-Familien alle Militär- und Polizeigewalt in Händen halten. Die Familien Taira und Minamoto leiten ihre Herkunft aus kaiserlichen Nebenlinien ab. 1159 treffen die beiden Klans zur Entscheidungsschlacht aufeinander, die mit einer vernichtenden Niederlage der Minamoto endet. 26 Jahre später schlagen die Besiegten erbarmungslos zurück.
Im so genannten Gempei-Krieg 1185 gelingt es dem jungen, charismatischen Yoshitsune Minamoto, das gesamte Heer der Taira zu vernichten. Knapp notiert er in seinem Tagebuch: "Am 24. Tag des 3. Monats (...) wurden zu Dannoura in der Provinz Nagato die Taira ausgelöscht." Doch sein Schlachtenruhm macht Yoshitsune zum gefährlichen Gegenspieler seines älteren Bruders Yoritomo, dem Klanchef der Minamoto. Der jüngere Yoshitsune muss fliehen, wird verraten und vollzieht schließlich zur Wahrung seiner Ehre das Ritual des Seppuku, die traditionelle Selbsttötung der Samurai.
Das Shogun-Amt wird erblich
Noch heute wird Yoshitsune wegen seines heroischen Endes von den Japanern als Nationalheld verehrt. Yoritomo dagegen geht als Schurke in die Geschichte ein. Dabei ist er es, der das zerstrittene ausgeblutete Land eint. Am 21. August 1192 erzwingt Yoritomo vom Tenno seine Ernennung zum Shogun. Schon frühere Kaiser hatten solch einen militärische Oberbefehlshaber eingesetzt, aber nur auf begrenzte Zeit und mit beschränkten Befugnissen.
Auf Verlangen des allmächtigen Yoritomo wird aus dem Shogunat nun ein erbliches Amt. Anders als sein jüngerer Bruder ist Yoritomo kein strahlender Kriegsheld, sondern ein gewiefter, pragmatischer Politiker. Er ordnet das Herrschaftschaos mit harter Hand und installiert Verwaltungsstrukturen, die Jahrhunderte lang funktionieren. Die formelle Autorität des Tenno stellt er klugerweise nicht in Frage. Doch durch Verlegung seines Amtssitzes nach Kamakura in der Bucht von Tokio zeigt er unmissverständlich, dass die Macht nicht mehr im kaiserlichen Kyoto liegt.
Die Feudalherren verarmen
Unter dem Shogunat entstehen überall im zuvor zentralistisch geführten Japan straff organisierte Fürstentümer. Straßen werden gebaut, Flüsse begradigt und Dämme errichtet. Bis in entlegene Provinzen erlebt das Land eine ökonomische und kulturelle Blüte. Die Samurai lehnen als Kriegerkaste jede wirtschaftliche Betätigung ab. "Berechnende Menschen sind verachtenswert", heißt es in ihrem Moralkodex, dem Hagakure. Steuereinnahmen und der Reisanbau ihrer lehenspflichtigen Bauern ermöglichen ihnen ein Leben ohne Arbeit.
In der Edo-Zeit im 17. Jahrhundert schließt sich Japan fast völlig vom Rest der Welt ab. Nach und nach werden den Samurai ihre Steuerquellen genommen, so dass sie verarmen und in Abhängigkeit eines neuen, durch Handel reich gewordenen Bürgertums geraten. Als 1854 die US-amerikanische Regierung die Öffnung Japans für Handelsbeziehungen erzwingt, ist das Ende der Shogun-Herrschaft und der feudalen Samurai-Kaste besiegelt. 1868 wird Tokugawa Yoshinobu als letzter Shogun entmachtet und den Samurai das Tragen von Schwertern, eines ihrer wichtigsten Statussymbole, in der Öffentlichkeit verboten. Japans Aufbruch in die Moderne hat begonnen.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 21. August 2017 ebenfalls an die Errichtung des Shogunats. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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