Ein geöffnetes PIP-Brustimplantat aus Frankreich

2. Januar 2012 – Skandal um gefährliche Brustimplantate

Stand: 02.01.2017, 00:00 Uhr

Vor fünf Jahren kochte in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern, wie Lateinamerika oder China und besonders auch in Frankreich ein Skandal hoch, der tausenden Frauen massiv Angst gemacht hat. Der Skandal um die fehlerhaften Brustimplantate der französischen Firma PIP. Diese Firma hatte über viele Jahre hinweg Brustimplantate verkauft, die im Verdacht stehen, Krebs zu verursachen.

Von Haus aus hat Jean-Claude Mas mit Fleisch und Genuss zu tun. Als gelernter Metzger verdient er in den 70er Jahren mit Wein, Cognac und Wurstwaren sein Geld. Zu dieser Zeit macht der Schönheitschirurg Henri Arion Brustimplantate in Frankreich populär. Dann lernen sich Mas und Arion kennen und beschließen, gemeinsame Sache zu machen.

Als der Schönheitschirurg bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommt, macht Mas in großem Stil alleine weiter. 1991 gründet er in La Seyne-sur-Mer bei Toulon das Unternehmen Poly Implant Prothèse (PIP), das schnell zum drittgrößten Hersteller von Brustimplantaten weltweit avanciert. Bis 2011 stellt die Firma im Jahr rund 100.000 Silikonkissen her, die unter anderem an Kliniken in Deutschland, Spanien, Großbritannien oder Italien exportiert werden. Bis nach Lateinamerika, Australien und China reichen Mas‘ Geschäftsbeziehungen. Rund 400.000 Frauen lassen sich die Produkte von PIP nach Krebsoperationen oder aus Schönheitsgründen implantieren.

Dichtungsmasse zum Verfugen

Beliebt sind die PIP-Erzeugnisse vor allem, weil sie so günstig sind. Warum, erweist sich Ende 2011, als in großem Stil ruchbar wird, dass die Firma ihr Silikon zur Füllung von einem deutschen Hersteller bezogen hat, der es keineswegs für den menschlichen Körper, sondern vielmehr für den Bausektor, als Dichtungsmasse zum Verfugen, produziert. Unter den betroffenen Frauen entsteht Panik.

"Dieses Silikon kann zu einer Vermehrung des Gewebes in der Brust führen", bestätigt ein Sprecher der britischen Vereinigung Plastischer Chirurgen am 2. Januar 2012. "Sie sitzen auf einer Zeitbombe." Und auch das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte warnt, "dass mögliche Gesundheitsrisiken durch vermehrt austretendes Silikon auch dann entstehen können, wenn keine Rissbildung vorliegt." Das Hauptrisiko ist Krebs.

Teufelszeug im Leib

Die Ankündigung beschwört einen internationalen Gesundheitsskandal herauf. Die Kliniken sind mit dem Ansturm besorgter Betroffener lange Zeit überfordert. Im Essener Uniklinikum richtet man schließlich eine Hotline ein, die täglich erreichbar ist. "Gleichzeitig bieten wir für Patienten, die nicht bei uns operiert worden sind, an, in unsere Sprechstunde zu kommen", sagt Chefarzt Rainer Kimming. Viele Frauen wollen das Teufelszeug so schnell wie möglich wieder aus dem Körper haben.

Da aber schätzungsweise 80 Prozent von ihnen die Implantate aus rein ästhetischen Erwägungen bekommen haben, ist die Frage einer Finanzierung ungeklärt. Bis 2016 haben sich nur rund 1.900 Frauen die Implantate wieder entfernen lassen. 50 Prozent davon wiesen Schäden wie Risse auf.

Ist auch der TÜV ein Opfer?

Nach dem Gesundheitsskandal wird PIP mit Klagen überschüttet. Viele Frauen leiden bis heute unter Schmerzen und Entzündungen. 2011 wird PIP liquidiert. Da ist Mas bereits abgetaucht und wird mit internationalem Haftbefehl von Interpol gesucht. 2012 wird er auf dem französischen Landsitz einer Freundin festgenommen und wegen Betrugs angeklagt, ein Jahr später zu vier Jahren Haft und einer Geldstrafe von 75.000 Euro verurteilt. Einem Einspruch wird nicht stattgegeben, das Urteil 2016 bestätigt.

Auch der TÜV Rheinland, der in Deutschland für die Zertifizierung der Silikonkissen verantwortlich war, gerät in die Kritik. Schadensersatzforderungen gegen ihn laufen immer noch. Allerdings hatte PIP dem Technischen Überwachungsverein nachweislich gefälschte Unterlagen vorgelegt. "Dieser groß angelegte Betrug, der von PIP ausging, war für uns mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln nicht aufzudecken", sagt damals Sprecher Hartmut Müller-Gerbes. "Wir als TÜV Rheinland sind auch Opfer geworden."

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