Annette von Droste-Hülshoff

22. April 1842 - "Die Judenbuche" von Annette von Droste-Hülshoff erscheint

Stand: 22.04.2017, 00:00 Uhr

Mancher denkt an quälende Deutschstunden, wenn von diesem Buch die Rede ist: "Die Judenbuche" von Annette von Droste-Hülshoff. Die Novelle erscheint am 22. April 1842 in der renommierten Zeitschrift "Morgenblatt für gebildete Leser" der Cotta'schen Verlagsbuchhandlung.

Die Adelige aus dem Münsterland trägt zwar hochgeschlossene weiße Blusen zu geflochtenen Zöpfen, aber was sie schreibt, ist alles andere als brav.

Der Westfalen-Krimi in seiner Urform

"Es gibt den Nordseekrimi, den Schwarzwaldkrimi und hier haben wir den Westfalenkrimi in seiner Urform. Droste-Hülshoffs 'Judenbuche' ist eine fantastische Kriminalerzählung", sagt Thomas Wortmann, Professor für Germanistik an der Universität Mannheim. "Die Judenbuche - Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen" nennt Droste-Hülshoff ihr Buch.

Die Handlung beginnt im Dorf B., "die hochmütigste, schlauste und kühnste Gemeinde des ganzen Fürstentums".

Das Dorf B. ist Bellersen in Ostwestfalen, ein Ort zwischen Bad Driburg und Höxter. Im 18. Jahrhundert liefern sich illegale Holzfäller und die Förster in den tiefen Wäldern rund um Bellersen einen erbitterten Kampf. 

"Das waren veritable Urwälder. Deswegen ist das auch eine Landschaft, in der seltsame Dinge geschehen können. Nicht umsonst spielen auch Grimms Märchen in diesen seltsamen Wäldern", sagt Wortmann.

Ein Vater, der als Gespenst durch den Wald spukt

Droste-Hülshoff greift in ihrer "Judenbuche" auf eine wahre Geschichte zurück: auf das Leben des Hermann Georg Winkelhahn aus Bellersen, der in der Novelle Friedrich Mergel heißt.

"Dieser Friedrich, dessen Vater als Gespenst durch den Wald spukt, ist ein Ausgeschlossener, ein Stigmatisierter. Sein Vater ist ein Trinker und unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen. Und das verfolgt ihn", erklärt Wortmann.

Ist Friedrich wirklich der Mörder?

Annette von Droste-Hülshoffs Novelle ist nicht nur eine Kriminalgeschichte, sondern auch eine Milieustudie. Sie schaut auf Probleme wie Gewalt in der Familie, Alkoholismus – und Antisemitismus.

Friedrich Mergel hat sich beim Juden Aaron Geld geliehen, um eine prächtige Uhr zu kaufen. Ausgerechnet bei einer ausgelassenen Hochzeit versucht Aaron sein Geld einzutreiben und stellt Friedrich bloß. Droste-Hülshoff schreibt in der Novelle: "Friedrich war wie vernichtet fortgegangen und der Jude ihm gefolgt, immer schreiend: O weh mir! Warum hab ich nicht gehört auf vernünftige Leute! Haben sie mir nicht hundertmal gesagt, Ihr hättet all Euer Gut am Leibe und kein Brod im Schranke! – Die Tenne tobte von Gelächter."

Aaron wird später ermordet aufgefunden, am Fuße einer Buche im Wald, die daraufhin Judenbuche genannt wird. Aber ist Friedrich wirklich der Mörder?

Droste-Hülshoff lässt viele Leerstellen

Annette von Droste-Hülshoff ist eine geschickte Erzählerin und lässt viele Leerstellen. Den Mord am Juden Aaron sieht der Leser nicht. Auch nicht die Flucht des vermeintlichen Täters. "Das macht den Text spannend. Man kann spekulieren und fantasieren", sagt der Germanist Thomas Wortmann.

Auch wenn nicht alle Schülerinnen und Schüler dieser Ansicht sind, gehört "Die Judenbuche" seit dem 20. Jahrhundert zum Lesekanon an den Schulen. "Es ist auf jeden Fall der Text, der Droste-Hülshoff den Platz im kulturellen Gedächtnis gesichert hat", sagt Thomas Wortmann.

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