Der Himmel ist fast wolkenfrei, als am Nachmittag des 5. Januar 2003 ein junger Mann auf dem hessischen Flugplatz Babenhausen auftaucht. Angeblich will er einen Rundflug mit einem Motorsegler buchen.
Plötzlich aber zückt er eine Pistole und verlangt von dem Piloten: "Rück die Kiste raus!" Der Luftpirat kapert die bereitstehende Super Dimona HK 36 und startet sofort mit Kurs auf Frankfurt. Vom Tower des Rhein-Main-Airports fordert er eine Verbindung mit dem US-Nachrichtensender CNN.
Irrflug eines Verwirrten
Sechzehn Monate nach "Nine-Eleven", den Terroranschlägen in den USA, schrillen bei den Sicherheitsbehörden alle Alarmglocken. Auf Befehl von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) nehmen zwei Phantom-Abfangjäger die Verfolgung auf. Der Unbekannte kreist inzwischen über den Wolkenkratzern des Frankfurter Bankenviertels. Er droht, das Kleinflugzeug direkt in die Bürotürme der Europäischen Zentralbank (EZB) zu steuern.
Die Türme der EZB in Frankfurt
Immer wieder kommt die Super Dimona den Hochhäusern gefährlich nahe. Was der Entführer über Funk mitteilt, macht die Verantwortlichen ratlos: Er wolle eine US-Astronautin berühmt machen, die als erste jüdische Raumfahrerin viel größere Beachtung verdiene.
Um 17.15 Uhr landet der Motorsegler mit fast leerem Tank auf dem Frankfurter Flughafen. Der Pilot wird festgenommen, und der erste Eindruck bestätigt sich: Der Mann, ein 31-jähriger Student, ist offenbar geistig verwirrt. Gutachter werden ihm später Schuldunfähigkeit attestieren. Seine Waffe war nur eine Schreckschusspistole.
Ungelöstes Dilemma
Der Irrflug über Frankfurt endet folgenlos, doch für die Bundesregierung stellt sich unabdingbar die Frage: Wie reagieren in einem Fall, der als übergesetzlicher Notstand anzusehen ist? Konkret: Darf die Luftwaffe ein zur Bedrohung gewordenes Flugzeug abschießen, selbst wenn das den Tod vielleicht Hunderter Unbeteiligter zur Folge hat?
Die Bundesregierung entscheidet schnell und verabschiedet das Luftsicherheitsgesetz. Als Ultima Ratio erlaubt es "eine unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt gegen ein Flugzeug". Mehrere Kläger ziehen gegen diesen "Befehl zum Mord" vor das Bundesverfassungsgericht – und bekommen Recht. Das Dilemma des Staates, auf jeden Fall Grundrechte zu verletzen, ganz gleich, wie er entscheidet, bleibt bis heute ungelöst.
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