Am Anfang schuf Gott bekanntlich Himmel und Erde. Davor herrschten "Irrsal und Wirrsal" und Finsternis. So steht es bekanntlich im Buch Genesis des Alten Testaments. Aber: Wann war dieser Anfang? Wann begann Gott, die uns bekannte Welt zu erschaffen? Zumeist kursieren da vor allem ungenaue Angaben. Sechs Tage Schöpfung - so steht es in der Bibel. Und: "Bei Gott ist ein Tag wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag". Macht grob geschätzt: 6.000 Jahre.
Das geht auch genauer, sagt sich James Ussher, Primas der anglikanischen Kirche, einer der führenden Gelehrten im 17. Jahrhundert. Ussher will Licht bringen in das Dunkel der Datierung – wobei er nicht der erste ist. Vor ihm versucht sich niemand geringer als der Astronom Johannes Kepler an der Aufgabe: Er ermittelt das Jahr 3.992 vor Christus als Schöpfungsjahr. Der französische Historiker Joseph Scaliger denkt, es müsse 42 Jahre später gewesen sein. Aber den Tag und die Stunde kennen auch Keppler und Scaliger nicht.
Mittwochs auf dem Ararat
Geboren wird Ussher 1581 in Dublin. Kirchengeschichte ist von Kindesbeinen an sein Hobby. Schon als Jugendlicher beschließt er, für die anglikanische Kirche tätig zu werden, studiert, wird mit 20 Jahren Pfarrer, 1602 dann Erzbischof von Armagh und fünf Jahre später Professor für Theologie am berühmten Trinity College in Dublin, dem er zudem zwei Mal als Vizekanzler vorsteht. Er formuliert einigende Glaubenssätze und schreibt eines der ersten Geschichtsbücher der irischen Kirche.
1640 moderiert Ussher einen Konflikt zwischen König und Parlament. 1650 kommen seine Berechnungen zum exakten Beginn der Schöpfung unter dem Titel "Annales Veteris Testamenti" ("Annalen des Alten Testamentes, hergeleitet von den frühesten Anfängen der Welt") heraus.
"Der Beginn der Zeit ereignete sich, unserer Chronologie entsprechend, am Beginn des Abends, der dem 23. Tag im Oktober vorausgeht, im Jahre 4004 vor Christi Geburt", steht darin zu lesen. Die Vertreibung aus dem Paradies fand demnach am 10. November desselben Jahres statt. Am 5. Mai 2348 vor unserer Zeitrechnung strandete Noahs Arche auf dem Berg Ararat. Es war ein Mittwoch.
Nebukadnezar als Fixpunkt
Natürlich verstehen sich Usshers Berechnungen als Folge streng wissenschaftlicher Erkenntnis. Zuvor hat der Geistliche, der zudem als höchst talentierter Linguist gilt, nicht nur die Bibel, sondern auch alle möglichen Schriften der Kulturen rund ums Mittelmeer studiert.
Eines der sicheren Schlüsseldaten ist dabei der Tod des babylonischen Königs und Jerusalem-Eroberers Nebukadnezar II. am 16. März 597 vor Christus. Zusammen mit anderen historischen Bezügen, den Stammbäumen der biblischen Geschlechter und den entscheidenden Kalendern ergibt sich zwangsläufig Jahr und Tag: natürlich ein Sonntag.
Der gesunde Menschenverstand wehrt sich
1701 erscheint die erste King-James-Bibel mit einem einleitenden Auszug aus Usshers Annalen. Der 23. Oktober 4004 vor Christus ist als Schöpfungstag für alle Gläubigen gesetzt. Aber der gesunde Menschenverstand wehrt sich schon früh. Etwa in Gestalt des französischen Querdenkers Isaac de La Peyrère, der schon zu Lebzeiten Usshers auf archäologische Ausgrabungen verweist, die weitaus älter sein müssen. Auch der Naturgelehrte Girolamo Fracastoro mahnt an, dass Fossilien unter den Fundamenten von Venedig mehrere Jahrtausende mehr als Usshers Welt auf dem Buckel haben.
James Ussher stirbt 1656 in Reigate in der Grafschaft Surrey und wird in der Westminster Abbey beigesetzt. Es wird noch fast drei Jahrhunderte dauern, bis die Wissenschaft mittels der Uran-Blei-Datierung gesichert erkennt, dass die Welt rund 770.000 Mal älter ist als von ihm angenommen.
Hinweis: In einer früheren Version hatten wir irrtümlich geschrieben, dass "die Welt 77.000 Mal älter ist als von ihm angenommen".
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 23. Oktober 2017 ebenfalls an die Erschaffung der Welt (nach Ussher). Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 24.10.2017: Geburtstag des Journalisten Horst Stern