Mehr als 300 Jahre lang wehren sich die Schotten erbittert dagegen, von England unterjocht zu werden. Der Kampf scheint entschieden, als Königin Elizabeth I. ihre schottische Rivalin Maria Stuart 1587 enthaupten lässt. Doch als Elizabeth 1603 stirbt, fällt England rechtmäßig an Marias Sohn, James VI. von Schottland. Als James I. regiert er in Personalunion erstmals beide Nationen und gibt seinem vereinten Königreich den Namen Großbritannien.
Das Zusammenleben der so lange verfeindeten Nachbarn unter einem Herrscher birgt einigen Zündstoff, vor allem in den Flotten des United Kingdom. Alle Schiffe seiner Majestät segeln nun sowohl unter der Flagge Englands wie auch der Schottlands. Wer aber darf sein Nationalbanner höher an den Mast hängen? Eine entscheidende Frage, weiß der Anglist Nick Groom von der Universität Exeter: "Denn wenn man auf See eine Flagge über einer anderen hisst, dann weht sie über der eines besiegten Feindes."
Die Finessen der Heraldik
Das senkrechte rote St.-Georgs-Kreuz auf weißem Grund ist die Fahne Englands – so wie das diagonale weiße Kreuz des heiligen Andreas auf blauem Grund für Schottland weht. Jahrhundertelang haben sich die beiden Inselvölker unter diesen Zeichen bekriegt. So ist nicht verwunderlich, dass die Schotten nun ihre Flagge zuoberst am Hauptmast aufziehen - und englische Kapitäne es umgekehrt machen. James I. erkennt, dass er die Flotte unter einer Flagge vereinen muss und befiehlt am 12. April 1606, "dass fortan alle unsere Schiffe (...) an ihrem Großmars das St. Georgs-Kreuz sowie das St. Andreas-Kreuz vereinigt tragen sollen gemäß einer von unseren Herolden entworfenen Form."
Die Gestaltung des neuen Wappens bereitet den Herolden des Königs großes Kopfzerbrechen. Denn nach den Gesetzen der Heraldik dürfen sie die nationalen Symbole längst nicht beliebig zusammenfügen. "Das Problem ist, dass es auf einem heraldischen Objekt keine völlig gleichwertigen Positionen gibt. Ein Teil der Flagge ist immer prestigeträchtiger als der andere", erklärt Nick Broom. Schließlich wird das Georgs-Kreuz in der Mitte platziert und das Andreas-Kreuz im oberen linken Quadranten der Flagge. "Damit", so Broom, "hat der schottische Teil den besten Platz bekommen."
Weltherrschaft unter dem Union Jack
Als Bezeichnung der neuen Flagge bürgert sich bald der Name "Union Jack" ein. Ob er sich vom Bugmast, dem "Jack staff", herleitet oder von Jack, der Kurzform des Königsnamens James, können Historiker heute nicht mehr nachvollziehen. Gesichert ist aber, dass viele schottische Kapitäne trotz des heraldischen Vorteils dem König ihr "hitziges Missfallen" über den Union Jack bezeugen. Das schottische Kreuz sei zweimal durchbrochen, das englische dagegen bleibe erhalten. Zudem liege es über dem schottischen Kreuz, welches hierdurch verdeckt werde. "Um des lieben Friedens willen" gibt James I. nach und erlaubt den Schotten, das Andreas-Kreuz über das englische Georgs-Kreuz zu legen.
Damit weht bis zum 19. Jahrhundert auf den Weltmeeren die Urform des heute bekannten Union Jack - auf schottischen Schiffen in der umgedrehten Version. Als Irland sich 1800 mit dem Act of Union dem Vereinigten Königreich anschließt, wird auch das rote St.-Patrick`s-Kreuz in die Flagge aufgenommen. Das kleine "Nur"-Fürstentum Wales geht leer aus. Neun Jahre später erklärt das Parlament den Union Jack offiziell zur britischen Nationalflagge. "Rule Britannia" - rund um den Globus markiert der Union Jack nun die Herrschaft des British Empire. Bei den unterworfenen Völker Asiens und Afrikas wird das allgegenwärtige Hoheitszeichen unter einem anderen Namen bekannt: The Butcher's Apron – die Schlachterschürze.
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Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 12. April 2016 ebenfalls an die Entstehung des Union Jack. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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