Keiner kann so ausrasten wie er: 1972 brüllt Klaus Kinski den Regisseur Werner Herzog an, der mit ihm "Aguirre, der Zorn Gottes" in Peru dreht. "Sie sind kein Regisseur, Sie müssen bei mir lernen!", schreit er. "Sie sind ein Anfänger, ein Zwergen-Regisseur sind Sie, aber kein Regisseur für mich!"
Mit seinem markanten Gesicht und dem stechenden Blick ist Klaus Kinski der ideale Darsteller für Besessene aller Art. Rund 140 Filme dreht er – darunter viel Schrott, wie er selbst findet. "Ich habe in meinem Leben auch Klosetts gescheuert und plötzlich hab' ich, anstatt Toiletten zu scheuern, eben Scheißfilme gedreht, weil ich es auch konnte", sagt er einmal.
Obwohl er von vielen seiner Filme nichts hält, hat er von sich selbst doch immer die höchste Meinung gehabt. Klaus Kinski konnte nie genug bekommen, nicht genug Geld, nicht genug Sex, nicht genug Verehrung.
Eine Präsenz ohne Beispiel in der Filmgeschichte
Am 18. Oktober 1926 wird er in der Nähe von Danzig geboren, als Sohn eines Apothekers. Er hat sich gern zum Schmuddelkind stilisiert, dabei wächst er gutbürgerlich auf. Bereits mit 16 Jahren wird Klaus Kinski zur Wehrmacht eingezogen und gerät in britische Kriegsgefangenschaft. Im Lager spielt er zum ersten Mal Theater.
Auch ohne Ausbildung wird er nach dem Krieg an verschiedenen Bühnen engagiert - fliegt allerdings wegen seines Jähzorns überall schnell wieder raus. Populär wird Klaus Kinski dann in den 1960er Jahren durch die Edgar-Wallace-Verfilmungen.
Regisseure wie Sergio Leone werden auf ihn aufmerksam. Im Italo-Western gibt er mit wirrer Mähne und eisigem Blick Killer und Kopfgeldjäger. Doch irgendwann hat man in Rom genug von dem Wüterich: Die Produzenten setzen ihn auf die schwarze Liste. In dieser Krise bietet ihm Werner Herzog die Rolle des Aguirre an, eine Rolle, die den gesamten Film "Aguirre, der Zorn Gottes" (1972) trägt.
"Er hat eben eine Präsenz, die eigentlich ohne Beispiel ist in der Filmgeschichte", sagt Regisseur Werner Herzog. Deshalb dreht er vier weitere Filme mit dem Berserker, und meist spielt Kinski wunderbar, ob als "Woyzeck" (1979), als Vampir "Nosferatu" (1979) oder als Opern-Fanatiker "Fitzcarraldo" (1982). Doch mit der Zeit wird er immer unerträglicher.
Nach seinem Tod sind beide Töchter erleichtert
Klaus Kinskis Verhalten muss auch privat das eines Psychopathen gewesen sein. In ihrem 2013 erschienenen Buch "Kindermund" beschreibt Pola Kinski, wie ihr Vater sie über Jahre sexuell missbraucht hat. Sie ist sein "Püppchen", das er mit Kleidchen und Spitzenunterwäsche ausstaffiert und zu dem er nachts ins Bett kriecht. "Das war ja unheimlich hinterfotzig von ihm, dass er gesagt hat, in allen Ländern machen das Väter mit ihren Töchtern, nur im spießigen Deutschland nicht."
Inzwischen hat auch Kinskis zweite Tochter Nastassja in einem Interview erzählt, dass ihr Vater sie zwar nicht missbraucht, sie aber ständig mit seinen Tobsuchtsanfällen terrorisiert habe. Als Klaus Kinski am 23. November 1991 in Kalifornien an einem Herzinfarkt stirbt, sind beide Töchter erleichtert. "Ich habe ihn nicht wie einen Menschen erlebt. Ich habe ihn erlebt wie ein Monster oder etwas Übermächtiges", sagt Pola Kinski.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 18. Oktober 2016 ebenfalls an Klaus Kinski. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 19.10.2016: Vor 85 Jahren: Geburtstag des Schriftstellers John le Carré