Was ist die Aufgabe eines Gerichtsreporters? Der Journalist Gerhard Mauz antwortet: "Der Gerichtsberichterstatter hat mitzuteilen, dass selbst auch der Böseste, selbst der die schrecklichste Tat getan hat, etwas, eine Ecke hat, wo er gar nicht so ist."
Nicht alle sehen das so. Manchmal muss Mauz gegen Leser, das eigene Blatt oder beide kämpfen - von 1964 bis 1990 als Reporter für Justiz- und Gerichtsberichterstattung beim "Spiegel".
NS-Zeit prägt den Blick
Geboren wird Mauz am 29. November 1925 in Tübingen. Sein Vater ist der Psychiater Friedrich Mauz, der im Nationalsozialismus als "T4"-Gutachter darüber entscheidet, wer der "Euthanasie" zum Opfer fällt.
Noch vor dem Abitur wird Gerhard in die Wehrmacht eingezogen. Als er zwei Polen erschießen soll, nimmt ihm sein Hauptmann die Waffe ab - und erledigt das für ihn.
Hartnäckiger Reporter
Mauz studiert Psychologie, Psychopathologie und Philosophie. Nebenher arbeitet er als freier Journalist. Er wird Lektor beim Fischer-Verlag, schreibt für die "Welt". 1963 berichtet er für die Zeitung über das "Wunder von Lengede", als elf eingeschlossene Bergleute gerettet werden.
Mauz ist acht Tage vor Ort, rund 50 Meter vom Bohrloch entfernt in seinem Auto. "Spiegel"-Chef Rudolf Augstein ist beeindruckt und engagiert den hartnäckigen Reporter.
Pointiert und empathisch
Mauz berichtet über die großen Prozesse der Bundesrepublik - über NS-Verbrechen, die Oetker-Entführung, Jürgen Bartsch, Monika Böttcher und den Mann, der auf Wolfgang Schäuble schoss. Er macht das, was unter Journalisten "mauzen" heißt: Er schreibt pointiert und empathisch zugleich.
Den Opfern dienen
Mauz setzt sich für die Schwachen ein. Das sind im Strafprozess für ihn die Angeklagten. Immer wieder wird er für diese Sicht kritisiert. Als Mitte der 1970er Jahre in Stuttgart-Stammheim gegen die RAF-Gründer verhandelt wird, hält Mauz sie für vorverurteilt. Immer wieder kritisiert er Staat und Richter.
Auf die Frage, wie man nur einen Mörder verteidigen könne, antwortet Mauz auf dem Strafverteidigertag 1978: "Die Täter leben, für die Opfer können wir nichts mehr tun", sagt er. "Wir können den Opfern nur dienen, indem wir alles tun, was dazu beiträgt, dass uns nicht noch mehr Täter erwachsen."
Sinn machen
In einem seiner letzten Interviews wird Mauz gefragt, ob er glücklich sei. Seine Antwort: "Man ist dankbar dafür, dass man etwas tun kann, wovon man sich sagen darf: Es versucht, einen Sinn zu machen." Mauz stirbt am 15. August 2003 mit 77 Jahren in Reinbek bei Hamburg.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 15. August 2018 ebenfalls an Gerhard Mauz. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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