Heiner Brand hat richtig schlechte Laune. Am nächsten Tag muss sein Team gegen Slowenien spielen, es ist bislang nicht gut gelaufen. Und dann das:
Als Brand am diesem fünften Turniertag von seiner Videoanalyse nach oben kommt, sieht er "einen Kellner mit Pizzas hochlaufen, um Viertel nach elf, vor dem wichtigsten Spiel der Karriere." Kein Wunder, dass der Trainer seine Mannschaft zusammenstaucht: "Das ist eine Mentalität, die ich in einer Jugendfreizeit finde". Wie wollen seine Spieler das wieder gut machen? "Da“, wettert Brand, "könnt ihr mir morgen eine Antwort drauf geben."
Deutschland, ein Wintermärchen
Die Handball-Weltmeisterschaft beginnt am 19. Januar 2007 in Deutschland. Das Land hätte die WM gerne schon zwei Jahre früher ausgerichtet, mit Stars wie Stefan Kretschmar oder Christian Schwarzer in der Mannschaft. Aber damals geht das Turnier nach Tunesien. Jetzt sind die Großen weg, entsprechend schlecht startet die Heimmannschaft mit enttäuschenden Spielen gegen die Außenseiter Brasilien und Argentinien. Fast folgerichtig ist die Niederlage im dritten Vorrundenspiel gegen Polen. Spielerausfälle tun ihr Übriges. Und dann, vor dem entscheidenden Spiel gegen Slowenien, die "Pizza-Affäre".
Was dann geschieht, ist vielleicht auch Brands Brandrede zu verdanken. Jedenfalls geht es als "Wintermärchen" in die Sportgeschichte ein. Wie von Wunderhand passt plötzlich alles zusammen. Torwart Henning Fritz, seit zwei Jahren eigentlich in einem Leistungsloch, wächst über sich hinaus. 35:29 gewinnt die deutsche Mannschaft das Spiel gegen Slowenien, vor den Augen eines Publikums, dass dieses Spiel nach den vorherigen kaum glauben kann. Danach trägt eine Welle der Euphorie die Mannschaft von Sieg zu Sieg.
Mannschaft des Jahres
Das Halbfinale gegen Frankreich in der Köln Arena gilt unter Experten als vielleicht faszinierendstes WM-Spiel aller Zeiten. Als Fritz den Freiwurf Frankreichs beim 32:31 drei Sekunden vor Spieleende hält, hält die 19.000 Zuschauer im Stadion nichts mehr auf den Sitzen.
Nach dem Sommermärchen im Fußball 2006 geht der Beginn der Handball-WM in Deutschland fast unter. Vom Eröffnungsspiel erfährt man nur über Plakate. Beim Finale gegen Polen sitzt halb Deutschland vor dem Fernseher. 29:24 gewinnen die Jungs von Heiner Brand, Deutschland ist Handball-Weltmeister, nach 29 Jahren wieder. Das Team wird Mannschaft des Jahres 2007.
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 19. Januar 2017 ebenfalls an das Handball-"Wintermärchen". Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 20.01.2017: Vor 75 Jahren: Wannsee-Konferenz zur "Endlösung der Judenfrage"