"Ich hatte dieses unbändige Verlangen, Theater zu spielen." Gern hätte Heinz Rühmann auf der Bühne als Liebhaber brilliert, doch in der Rolle des Herzensbrechers ist er von Anfang an eine Fehlbesetzung. "Die Versuche sind ja nun kläglich gescheitert. Außerdem war ich auch zu klein dazu." Durch Zufall entdeckt Rühmann dafür im Frühjahr 1922 bei einem Auftritt im Residenztheater in Hannover sein komisches Talent. Weil er einen Oberkellner spielen soll, latscht er schlecht gelaunt über die Bühne - und erhält dafür Szenenapplaus.
Geboren wird Heinrich Wilhelm Rühmann am 7. März 1902 im Hotel seines Vaters in Essen. In der Bahnhofswirtschaft erlebt er erstmals das berauschende Gefühl, Applaus zu bekommen. Sein Vater stellt den Fünfjährigen auf den Tresen und lässt ihn Gedichte aufsagen. Nach der Scheidung der Eltern 1916 bringt sich Vater Hermann um. Margarete zieht mit ihren drei Kindern nach München. Drei Jahre später verlässt Heinz nach der Mittleren Reife das Gymnasium und nimmt Schauspielunterricht.
Kindlicher Anti-Held
Im Herbst 1922 ist Rühmann zum ersten Mal als "Mustergatte" zu sehen - in seiner Paraderolle, die er über 2.000 Mal im Theater und 1937 auch im Film spielt. Der verklemmte Bankangestellte Billy Bartlett, der seiner unzufriedenen Frau den Lebemann vorgaukelt, ist eine typische Rühmann-Figur: ein kindlicher Anti-Held. Ein pfiffiges Stehaufmännchen, das sich durch alle Widrigkeiten des Lebens schlägt und am Ende sein bescheidenes Glück findet.
Der Film "Die Drei von der Tankstelle" macht Rühmann 1930 zum Liebling eines Millionenpublikums. Als drei Jahre später die Nationalsozialisten an die Macht kommen, gehört er bereits zu den Spitzenstars der Ufa. Während viele seiner Kollegen das Land verlassen, baut er seine Karriere aus. "Ich wurde gebraucht", rechtfertigt Rühmann später sein Verhalten. "Man sah von hoher Stelle ein, dass ein gewisser Humor unter die Menschen getragen werden muss."
Karriere im Nationalsozialismus
Im "Dritten Reich" dreht Rühmann Film um Film. Es sind scheinbar harmlose Komödien, die mit ihrer Durchalte- und Ablenkungsfunktion bestens in die Medienstrategie von Propagandaminister Joseph Goebbels passen. Der Schauspieler Rühmann tritt zwar nicht in die NSDAP ein, aber er posiert mit Adolf Hitler für Fotos, schmettert im Film "Wunschkonzert" (1940) Propaganda-Liedgut und lädt Goebbels als privaten Gast zu sich ein. Für sein Wohlverhalten wird Rühmann mit enormen Honoraren und Privilegien belohnt.
Ein Jahr nach Stalingrad dreht er seinen erfolgreichsten Film: "Die Feuerzangenbowle". Als der Reichserziehungsminister den Film verbieten lassen will, fährt Rühmann mit einer Kopie ins "Führerhauptquartier" und erreicht die Freigabe durch Hitler persönlich.
Qualitäten als Charakterdarsteller
1945 erteilen die Alliierten Rühmann ein vorübergehendes Filmverbot. Er sieht sich als Opfer: "Das war eben die böse Zeit nach dem Krieg." Doch schon bald ist er wieder obenauf: Als "Hauptmann von Köpenick" (1956) und "Braver Soldat Schwejk" (1960) belegt er seine Qualitäten als Charakterdarsteller. Insgesamt wirkt Rühmann in seinem Leben in mehr als 100 Spielfilmen mit.
Seine letzte Rolle spielt Heinz Rühmann im Wim-Wenders-Film "In weiter Ferne so nah", wenige Monate vor seinem Tod. In seiner Rolle als ehemaliger Nazi-Chauffeur spricht er mit seinem Schutzengel: "Ich war, glaube ich, kein sehr mutiger Mann. Korrekt ja, aber mutig?" Rühmann stirbt am 3. Oktober 1994 in Berg am Starnberger See im Alter von 92 Jahren.
Programmtipps:
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 7. März 2017 ebenfalls an Heinz Rühmann. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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