Das Ruhrgebiet Anfang des 20. Jahrhunderts: Zechen, Stahlwerke und Siedlungen expandieren. Mensch und Maschinen bedienen sich alle an Emscher und Ruhr, pumpen Wasser ab und leiten es größtenteils ungeklärt wieder zurück. Die Folge: Die Flüsse sind trübe, braun-schwarze Kloaken. "Das Wasser riecht nach Blausäure und nach Phenolverbindungen, es enthält keine Spur von Sauerstoff", heißt es in einem Gutachten von 1911. Wiederholt führt verseuchtes Wasser zu Typhusepidemien mit vielen Toten.
Emscher-Brunnen bringt internationale Anerkennung
Zum Retter der Flüsse in Not wird der junge Ingenieur Karl Imhoff, der 1906 ins Ruhrgebiet kommt. Geboren wurde er 30 Jahre zuvor, am 7. April 1876 in Mannheim als Sohn eines Kaufmanns. Zunächst nimmt sich Imhoff der schlimmsten Brühe im Revier an - der Emscher. Studiert in Karlsruhe und promoviert in Berlin gilt Imhoff bereits als Abwasserexperte. Er weiß: "Es ist falsch zu glauben, man könne reines unberührtes Wasser irgendwoher beziehen und das Abwasser irgendwohin leiten, wo es nie mehr mit Menschen in Berührung kommt."
An der Emscher baut Imhoff zunächst Kläranlagen. Um Abwasser von Schlammteilchen und anderen schweren Schmutzstoffen zu befreien, erfindet der Ingenieur den Emscher-Brunnen. In verschiedenen Becken wird Wasser nicht nur sauber, sondern auch der Klärschlamm gesammelt, ausgefault und so von Gestank befreit. Mit diesem Patent macht sich Imhoff weltweit einen Namen - im Ausland heißt die Konstruktion Imhoff-Tank. Zudem fasst er sein Wissen im "Taschenbuch der Stadtentwässerung" zusammen, das direkt zum Standardwerk für Abwasseringenieure wird.
Der Stausee als Kläranlage
Im Auftrag des Regierungspräsidenten in Arnsberg entwirft Imhoff schließlich einen "Plan zur Reinhaltung der Ruhr". Nach dieser Vorlage wird 1913 der Ruhrverband als Genossenschaft gegründet. Alle, die die Ruhr nutzen, müssen Mitglied werden und zahlen: Städte, Wasserwerke und die Industrie. Karl Imhoff wird Geschäftsführer. Er gilt als pragmatischer Experte mit Blick für das Wesentliche. Als es nach dem Ersten Weltkrieg kein Geld für biologische Abwasserreinigungen gibt, baut der Ingenieur Stauseen als gigantische Kläranlagen. Die Idee dahinter: Wird die Ruhr aufgestaut, vergrößert sich die Oberfläche. Ins Wasser kommt so mehr Sauerstoff, so können die Bakterien im Flusswasser Fäkalien und Schmutz besser abbauen.
"Und so hat er eben zuerst den Hengsteysee gebaut und dann den Hakortsee und den Baldeneysee", sagt sein Sohn Klaus Imhoff, der die Arbeit seines Vaters beim Ruhrverband weitergeführt hat. Besonders stolz sei sein Vater auf den Baldeneysee gewesen. "Er war hier in Essen in seiner Heimatstadt auch ein großer Erfolg bei der Bevölkerung", sagt Imhoff junior. Ein Jahr nach dessen Fertigstellung muss der Vater den Ruhrverband verlassen. Die Nationalsozialisten setzen den Sozialdemokraten 1934 als Geschäftsführer ab.
Fachbuch in 20 Sprachen
Fortan arbeitet Imhoff als Berater, verbringt die Kriegsjahre in Süddeutschland und nimmt nach dem Zweiten Weltkrieg die abgerissenen Verbindungen zur Fachwelt des Auslands wieder auf. "Ich lese alle Fachzeitschriften in Englisch und Deutsch", sagt Imhoff, der zudem viel reist, um sich Entwicklungen in anderen Ländern anzuschauen. Das Wichtigste notiert er sofort in seinem "Taschenbuch der Stadtentwässerung", das seit 1907 in immer neuen Auflagen erscheint und in 20 Sprachen übersetzt wird. Nachdem er die 21. Auflage noch einmal überarbeitet hat, stirbt Karl Imhoff am 28. September 1965, ausgezeichnet mit drei Ehrendoktorwürden und dem Bundesverdienstkreuz.
Stand: 07.04.2016
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