Als Schülerin beginnt Vera Brandes, die Konzertreihe "New Jazz in Cologne" zu organisieren. Da hört sie, dass der für sein Improvisationstalent bekannte Jazzpianist Keith Jarrett auf Europatournee gehen will. Sie fragt bei Manager Manfred Eicher nach einem Zwischenstopp in Köln. Eicher sagt zu, die nicht geschäftsfähige Brandes mietet die Kölner Oper. Deren 1.400 Plätze sind schnell ausverkauft.
Ende Januar 1975 kommen Jarrett und Eicher nach einem Auftritt in Basel in Köln an. Sie sind die ganze Nacht durchgefahren, der Pianist ist hundemüde: Beste Voraussetzungen für das Drama, das nun beginnt.
Verstimmt wie das Klavier
Für das Konzert hat Eicher für Jarrett einen Konzertflügel bestellt. Auf der Bühne steht aber nur ein Stutzflügel für Chor- und Ballettproben. In der unteren und oberen Oktave klemmen die Tasten, das Klavier ist komplett verstimmt, ebenso wie der Pianist nach einem Probespiel. Verzweifelt versucht Brandes, einen Konzertflügel aufzutreiben – an einem Freitagnachmittag nach Toreschluss. Aber der müsste ohnehin hängend transportiert werden und danach mindestens 48 Stunden stehen.
Jarrett ist schon auf dem Weg zum Auto, als Brandes ihn überreden kann zu bleiben. Ein Klavierstimmer und sein Sohn vollbringen schließlich das Wunder, den Stutzflügel einigermaßen spielbar zu machen. Währenddessen lagert der bestellte Konzertflügel bestens klimatisiert in einem Hinterzimmer der Oper, wo man ihn lange nach der Vorstellung entdeckt.
Vier Millionen Alben
Beim Konzert macht Jarrett seinem Ruf mit der geringen Menge der ihm zur Verfügung stehenden Tasten und dem für den Saal viel zu leisen Flügel alle Ehre. Mal meditativ versunken, mal ekstatisch verzückt hangelt er sich in der Mittellage von einem Motiv zum nächsten. Da Eicher von allen Konzerten einen Mitschnitt macht und dieser viel besser als erwartet ist, kommt "The Cologne Concert" am 30. November 1975 in die Läden. Bis heute gilt die Platte als größter kommerzieller Erfolg eines Jazz-Soloalbums überhaupt. Knapp vier Millionen Stück haben sich bisher verkauft.
2020 beendet Jarrett seine Karriere. Bis zum Schluss söhnt er sich mit dem Auftritt nicht richtig aus. Als ihn sein späterer Biograf Wolfgang Sandner nach einem Konzert in Berlin auf den "sehr großen Erfolg" anspricht, reagiert er denkbar muffig: "Da muss ich nochmal drüber nachdenken, ob du der Richtige bist, der eine Biografie über mich schreibt, wenn du das Kölner Konzert als meinen größten Erfolg ansiehst!". Danach herrscht zwischen beiden jahrelang Funkstille.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 30. November 2020 ebenfalls an Keith Jarretts Album zum legendären "Köln Concert". Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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