Gekentertes Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" in Schräglage vor dem Hafen von Giglio

13. Januar 2012 - Das Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" kentert

Stand: 13.01.2017, 00:00 Uhr

13. Januar 2012, Hafen Civitavecchia, etwa 70 Kilometer nordwestlich von Rom: Das Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" läuft um 19 Uhr mit mehr als 4.200 Passagieren und Besatzungsmitgliedern aus. Ziel ist Savona in der Nähe von Genua. Der Kurs führt an der Mittelmeerinsel Giglio vorbei. Dort verlässt der Luxusliner die vorgesehene Route und fährt zu nah an die Insel.

Um 21.45 Uhr wird das Schiff von einem Schlag erschüttert: Es ist gegen einen Felsen unter Wasser gefahren. Der Rumpf ist auf einer Länge von 70 Metern aufgeschlitzt. Trotzdem bewegt sich die "Costa Concordia" weiter. An Bord herrscht Chaos. Der Strom ist ausgefallen. Die Passagiere hören eine Durchsage: "Wegen technischer Probleme haben wir gerade einen Blackout, es besteht keinen Grund zur Panik." Währenddessen fließt bereits Wasser in insgesamt drei Abteilungen des Schiffes, auch in die Maschinenräume.

Kapitän im Visier

"Es hat eineinhalb Stunden gedauert, bis es gefährlich wurde", sagt später ein Passagier. "Da hätte man wunderbar evakuieren können - und das ist nicht geschehen." Verzögerungen und Fehleinschätzungen kosten 32 Menschen das Leben, als das Schiff in der Nähe des Hafenbeckens von Giglio kentert. Unter den Toten sind zwölf Deutsche.

Die Vorwürfe richten sich gegen Kapitän Francesco Schettino: Erst habe er die Route eigenmächtig geändert, dann das Schiff vorzeitig verlassen. Schettino gibt später an, zufällig in ein Rettungsboot gefallen zu sein. Ein Telefonmitschnitt taucht auf, in dem der Hafenkommandant von Livorno den Kapitän anschreit, er solle gefälligst wieder an Bord gehen. Schettino geht nicht.

2013 beginnt das Strafverfahren gegen ihn. Die Tatvorwürfe: fahrlässige Tötung und Körperverletzung, fahrlässiges Herbeiführen der Havarie, Verlassen des Schiffes, fehlende Kommunikation mit den Behörden. Im Mai 2016 wird das Urteil bestätigt: 16 Jahre Haft.

Fragen an die Reederei

Jürgen Albers, Experte der Bundesstelle für Seeunfall-Untersuchung (BSU) in Hamburg, sieht jedoch nicht nur den Kapitän, sondern auch die Reederei in der Verantwortung. Das dichte Vorbeifahren an der Insel Giglio sei zum Beispiel kein Einzelfall gewesen: "Es war die Regel, dass diese Costa-Schiffe so dicht an der Insel vorbeifuhren."

Es stelle sich auch die Frage, weshalb zwölf im Fahrstuhl eingeschlossene Personen nicht befreit wurden. Denn: "Auch ohne Strom kann man den Fahrstuhl manuell absenken oder hochkurbeln", so Albers. Dafür müsse aber entsprechend ausgebildetes Personal an Bord sein. Außerdem habe die Notstromversorgung nicht funktioniert, wodurch die Bordkommunikation zusammengebrochen sei.

Eine Million Euro und kein Verfahren

Der Konzern Costa Crociere handelt mit der Staatsanwaltschaft einen Vergleich aus. Nach der Zahlung einer Million Euro wird das Verfahren eingestellt. Als BSU-Experte Albers die Katastrophe so genau wie möglich rekonstruieren will, um daraus zu lernen, erhält er keinen ungehinderten Zugang zu den Informationen. Im Dezember 2015 stellt die BSU die Untersuchung ein. "Ich hatte den Eindruck, man wollte sich da nicht in die Karten schauen lassen", sagt Albers.

Als die Reederei den BSU-Ermittlern zumindest ermöglicht, ein Schwesterschiff zu untersuchen, macht Albers eine interessante Entdeckung. Dort sei auf der Brücke die Information "Think out loud" angeschlagen gewesen. "Das heißt, die Leute sollen laut denken, und wenn sie Kritik haben am Kapitän, das auch laut äußern", sagt Albers. "Ich denke, das war vonseiten der Reederei eine Reaktion auf das, was da passiert ist."

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