Wenn überhaupt ein Steuergesetz kompliziert ist, dann ist es das Gesetz zur sogenannten Mehrwertsteuer. Es beginnt schon mit der Bezeichnung. "Man kann sowohl Umsatzsteuer als auch Mehrwertsteuer sagen", erklärt Hans-Ulrich Liebern vom Bund der Steuerzahler in NRW. "Und wenn ich als Händler mein Geld vom Finanzamt wiederkriege, dann ist es sogar die Vorsteuer."
Die Mehrwertsteuer, erläutert Professor Otto-Gerd Lipross, "ist eine sogenannte indirekte Steuer, der Belastete ist der Endverbraucher, erhoben wird die Steuer dagegen bei dem Unternehmer".
Von 10 auf 19 Prozent
Der Bundestag verabschiedet das Umsatzsteuergesetz im April 1967, als die erste Große Koalition regiert. Es tritt zum 1. Januar 1968 in Kraft. "Wir haben mit 10 Prozent angefangen, aber schon nach einem halben Jahr hatten wir 11 Prozent - und dann ging es immer so weiter", sagt Liebern. Seit Januar 2007 gelte bis heute der Umsatzsteuersatz von 19 Prozent.
Neben dem vollen Umsatzsteuersatz gibt es auch den ermäßigten Satz, der seit 1983 bei 7 Prozent liegt. Die Frage, wann welcher Satz zum Einsatz kommt, ist nicht leicht zu beantworten.
Zahlreiche Ausnahmen
Milch und Fleisch zum Beispiel zählen zu den Grundnahrungsmitteln und unterliegen deshalb dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Aber es gibt zahlreiche Ausnahmen. Für Fruchtsaft zahlen wir 19 Prozent. Es sei denn, er ist nicht gepresst, sondern püriert wie ein Smoothie, dann sind es 7 Prozent. Auf zubereiteten Kaffee fallen 19 Prozent an. Bei Kaffeebohnen oder -pulver sind es 7 Prozent.
Auch Experten wie Hans-Ulrich Liebern fragen sich: "Wer kann verstehen, dass der Maulesel praktisch mit 7 Prozent Mehrwertsteuer belegt wird, während der Hausesel 19 Prozent Umsatzsteuer hat?"
Anleitungen für Finanzbeamte
Was wie besteuert wird, regelt nicht nur Paragraf 12 des Umsatzsteuergesetzes, sondern das regeln auch zwei Tabellenanhänge mit 54 Kategorien. Ergänzend hilft ein 140 Seiten starkes Ministeriumsschreiben den Finanzbeamten bei der Einordnung, ob 7 oder 19 Prozent Steuer fällig werden.
Früher heimliche Steuer
Vor 1968 war das Mehrwertsteuersystem nicht einfacher. Bis dahin mussten bei jedem Verkauf zusätzlich 4 Prozent Umsatzsteuer gezahlt werden. Was bei Gütern mit mehreren Zwischenhändlern zu enormen Gesamtsteuersätzen führen konnte.
Deshalb durfte die Mehrwertsteuer auch nicht auf der Rechnung erscheinen. "Sie sollte eine heimliche Steuer sein", sagt Professor Lippross. Heute hingegen muss sie ausgewiesen werden.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 1. Januar 2018 ebenfalls an die Einführung der Mehrwertsteuer. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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