In Charles Webbs Romanvorlage zum Film "Die Reifeprüfung" ist der Held Benjamin Braddock, der nach seinem College-Abschluss von der reifen Mrs. Robinson im Haus seiner Eltern in Südkalifornien zunächst fast verführt und später tatsächlich "entjungfert" wird, ein blonder Surfer-Typ. Deshalb gilt Robert Redford lange als Idealbesetzung. Beim Casting kommen Regisseur Mike Nichols jedoch Zweifel. Beim anschließenden Billardspielen habe er Redford gesagt, dass er die Rolle nicht spielen könne, "weil du keinen Verlierer spielen kannst".
Stattdessen gibt Nichols die Rolle einem völlig unbekannten Schauspieler, der sich nach einer unbedeutenden Filmrolle mühsam mit Theaterspielen über Wasser hält: Für den damals 29-jährigen Dustin Hoffman wird es der Beginn einer großen Karriere.
Ein Beispiel für "New Hollywood"
"Die Reifeprüfung" kommt 1967 in die US-Kinos. Damals steckt Hollywood in einer großen Krise. Draußen gehen die Menschen gegen den Vietnamkrieg auf die Straße, die Hippies proben alternative Lebensentwürfe. An dieser Realität vorbei haben die großen Filmstudios immer spektakulärere Monumentalfilme produziert. Ein Film wie "Cleopatra" (1963) etwa bringt die Twentieth Century Fox an den Rand des Ruins.
In diesem Klima wagt Nichols, der 1966 in seinem Regie-Debüt "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" Liz Taylor und Richard Burton aufeinanderhetzte, mit "Die Reifeprüfung" etwas völlig Neues. Er setzt mit Braddock einen zeitgemäßen, an sich, seiner Zukunft und dem Leben zweifelnden Protagonisten ins Zentrum. Und mit der von Anne Bancroft gespielten Mrs. Robinson eine gefühlskalte Frau in Szene, die bei der Affäre mit Braddock Sex ohne Liebe will – eigentlich eine Figur für einen Skandal.
Die Beine von Sue Ellen
Auch kameratechnisch geht "Die Reifeprüfung" neue Wege. Die Szene, bei der Mrs. Robinsons Bein beim Anziehen ihrer Strümpfe wie eine Schranke vor Braddock ins Bild ragt und ihm buchstäblich den Weg ins Leben versperrt, schreibt Filmgeschichte – wobei das Bein nicht Bancroft, sondern Linda Grey gehört, die später als Sue Ellen in der TV-Serie "Dallas" Karriere macht. Die Musik steuern Simon and Garfunkel bei, wobei Paul Simon den späteren Hit "Mrs. Robinson" speziell für den Film schreibt.
Einen kompletten Text bekommt der Song erst, als die Amerikaner die Kinos stürmen. In den ersten drei Monaten spielt der Film mehr als das Elffache seiner Produktionskosten ein. In Deutschland ist am 6. September 1968 Erstaufführung. Auch hierzulande wird der Streifen Kult.
Programmtipps:
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 6. September 2018 ebenfalls an "Die Reifeprüfung". Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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