Mick Jaggers Seitenhieb auf das Chaos beim Woodstock Festival knapp vier Monate zuvor ist unüberhörbar: "Wir schaffen einen Mikrokosmos der Gesellschaft, der dem Rest Amerikas ein Beispiel gibt, wie man sich bei netten Zusammenkünften verhält", erklärt der Rockstar, als die Rolling Stones während ihrer USA-Tournee 1969 ein freies Open-Air-Festival ankündigen.
Geplant ist das Altamont Free Concert als Höhepunkt des Stones-Tourfilms "Gimme Shelter", der Schauplatz eine alte Autorennstrecke bei San Francisco. Doch während Woodstock als chaotischer aber friedlicher Höhepunkt der "Love & Peace"-Ära Geschichte schreibt, wird Altamont mit Gewaltexzessen und Todesopfern ihr düsteres Ende markieren.
Terror der Hells Angels
Die Rolling Stones feilschen so lange mit Veranstaltern und Gastbands, dass die Entscheidung für Altamont erst zwei Tage vor dem Konzert fällt. So kann nur eine viel zu kleine Bühne gebaut werden. Absperrungen, Parkplätze und Toiletten werden nicht fertig. Als am 6. Dezember 1969 statt der erwarteten 80.000 Besucher 300.000 kommen, bricht die Organisation völlig zusammen.
Als verhängnisvoll erweist sich die Entscheidung, ausgerechnet die Hells Angels als Ordner zu engagieren. Von Alkohol und Drogen aufgeputscht, prügeln die Rocker nicht nur auf Besucher ein. Auch auf der Bühne werden Stars wie Neil Young oder Jefferson-Airplane-Sänger Marty Balin Opfer ihrer Gewaltattacken.
Niemand wagt einzugreifen, selbst die Hauptdarsteller nicht. Als die Rolling Stones ihr Konzert beginnen, stehen alle Zeichen auf Eskalation. Immer wieder kommt es zu blutigen Tumulten. Zunehmend hilflos versucht Mick Jagger mehrfach, die Zuschauer und vor allem die brutalen Hells Angels zu beruhigen.
Mord vor Jaggers Augen
Die Band spielt gerade "Under My Thumb", als vor laufender Kamera ein Mensch stirbt. Keine 20 Meter von Mick Jagger entfernt, stößt ein Rocker dem 18-jährigen Meredith Hunter fünf Mal ein Messer in den Rücken. Andere Hells Angels treten auf den Sterbenden ein, bis Helfer sie zurückdrängen.
Er sei von dem Afroamerikaner mit einer Schusswaffe bedroht worden, verteidigt sich der Täter später und wird freigesprochen. Drei weitere Menschen kommen durch Unfälle während des Altamont Free Concert ums Leben. 25 Ärzte versorgen pausenlos die Opfer von Drogen und Schlägereien.
Das Fachblatt "Rolling Stone" urteilt später: "Altamont war das Ergebnis von teuflischem Egoismus, Aufbauscherei, Unfähigkeit, Geldmanipulation und (...) einem fundamentalen Mangel an Menschlichkeit."
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