Die Kadettin Jenny Böken steht  vor der Abreise auf dem Segelschulschiff der Marine, Gorch Fock an der Schiffsglocke

3. September 2008 - Jenny Böken stirbt bei einer Ausbildungsfahrt der Gorch Fock

Stand: 03.09.2018, 00:00 Uhr

Es ist die Nacht vor ihrem 19. Geburtstag. Die Gorch Fock befindet sich etwa 20 Kilometer nördlich von Norderney. Jenny Böken hat Wachdienst als "Posten Back", vorn am Bug der Dreimastbark Gorch Fock. Um Punkt 23 Uhr macht Jenny die übliche halbstündliche Meldung: alles ruhig auf der Back. Es ist ihre letzte Meldung.

Jenny Böken, Kadettin (Todestag 03.09.2008)

WDR 2 Stichtag 03.09.2018 04:15 Min. Verfügbar bis 31.08.2028 WDR 2


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"Wir saßen in der Messe und es kam Alarm, Mann über Bord, das ist keine Übung, das ist keine Übung", erinnert sich Jörg Hafkemeyer, ein Radioreporter, der in jener Nacht an Bord ist. Der Alarm kommt 23.43 Uhr.

Schnell wird klar, dass die junge Kadettin Jenny Böken über Bord gegangen ist. "Es wurden eine Rettungsboje beleuchtet und eine Rettungsinsel über Bord geworfen: Die beiden Speedboote wurden klar gemacht und ausgesetzt", sagt Hafkemeyer. Doch die Suche nach Jenny Böken bleibt erfolglos. Das Wasser ist kalt, 15 bis 17 Grad Celsius, die Nordsee bei Windstärke sieben rau. Eine Schwimmweste oder einen GPS-Sender trug sie nicht. Das ist allerdings auch nicht üblich auf Großseglern.

Elf Tage später, 65 Seemeilen nordwestlich von Helgoland, bergen Besatzungsmitglieder eines Forschungsschiffs die Leiche der jungen Frau.

Keinen Tropfen Wasser in der Lunge

Seit diesem Tag versuchen Jenny Bökens Eltern zu verstehen, was passiert ist. Warum fiel sie über die Steuerbordseite, obwohl das Schiff sich nach Backbord neigte? Warum hatte sie keinen Tropfen Wasser in der Lunge, wie die Obduktion ergab? "Ich habe den Eindruck, die Wahrheit wird vertuscht", sagt Uwe Böken, Jennys Vater. "Für uns ist klar, dass Jenny nicht lebend über Bord gegangen ist." Möglicherweise habe es einen Vorfall an Deck gegeben.

Die Eltern klagen auf Schadenersatz und Schmerzensgeld, bezweifeln, dass Jenny Böken überhaupt diensttauglich war. An Bord soll sich die Kadettin mehrmals am Tag an den Schiffsarzt gewandt haben, mit Unterleibsschmerzen und Schlafstörungen. Eine Zeugin bestätigt das, der Schiffsarzt hingegen dementiert.

Ein tragischer Unglücksfall?

Doch die Eltern scheitern mit ihren Klagen. Für die zuständige Staatsanwaltschaft Kiel und für die Marine ist der Fall Jenny Böken abgeschlossen: als tragischer Unglücksfall.

Die Eltern können sich damit nicht abfinden. "Wenn sie überhaupt nicht wissen, was passiert ist, können sie das nicht verarbeiten", sagt Uwe Böken.

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