Über Videoplattformen wie Youtube führt man im Rahmen der EU-Urheberrechtsreform in Deutschland 2018 heftige Debatten. Tausende gehen auf die Straße. Im Kern geht es um die Frage, wie das Urheberrecht gestärkt werden kann, ohne der Zensur im Netz eine Tür zu öffnen.
In der Türkei von Recep Tayyip Erdoğan wird darüber nicht lange gesprochen: Durch ein Gesetz von 2014 kann die Regierung unerwünschte Inhalte im Internet ohne Gerichtsbeschluss sperren lassen. Kurz vor der Kommunalwahl am 27. März 2014 erwischt es, wie kurz zuvor schon den Nachrichtendienst Twitter, auch Youtube.
"Wir werden in ihre Höhlen eindringen!"
Grund für die Sperrungen von Youtube ist der vermeintlicher Mitschnitt eines Gesprächs zwischen dem türkischen Außenminister Ahmet Davutoğlu und dem Geheimdienstchef Hakan Fidan, in dem es um einen möglichen Einmarsch in Syrien geht. "Die Rechtfertigung ist kein Problem", heißt es darin. "Ich schicke vier Agenten nach Syrien. Die schießen ein paar Raketen auf die Türkei und dann haben wir einen Grund."
Präsident Erdoğan ist außer sich. Das Dokument sei eine Fälschung, lässt er verbreiten, später dann ist von Geheimnisverrat die Rede. Im Kommunalwahlkampf überschlägt sich seine Stimme, als es darum geht, Youtube in die Nähe von Terroristen und Staatszersetzern zu bringen. "Das ist unethisch, niederträchtig, gemein und ehrlos", ruft er ins Mikrofon. "Aber ich sage Euch: Wir werden in ihre Höhlen, in ihre Verstecke eindringen!" Kurz darauf ist der Zugang zu Youtube tot.
Schwarzgeld und Korruption
Eine Woche zuvor hatte Twitter dasselbe Schicksal ereilt. Grund dafür ist ein Telefonmitschnitt, auf dem Erdoğans Stimme und die seines Sohnes Bilal zu hören sein sollen. Es geht darum, 30 Millionen Euro an Schwarzgeld aus dem heimischen Safe in Sicherheit zu bringen. Danach wird Twitter mundtot gemacht. "In der Türkei hat es so etwas noch nicht gegeben, dass kurz vor den Wahlen so viele politische Skandale ans Licht kommen, so tief greifende Einschnitte in Demokratie und Grundrechte beschlossen werden", urteilt der Istanbuler Politikwissenschaftler Suat Özçelebi.
Drei Tage vor der Kommunalwahl sind Twitter und Youtube gesperrt, Erdoğans Anhänger wählen trotzdem die AKP. Fünf Jahre später sind TV-Sender und Zeitungen in der Türkei gleichgeschaltet, weit über 100 Journalisten in Haft, die Pressefreiheit Illusion. In der Türkei ist nur noch les- und hörbar, was Erdoğan erlaubt.
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