Nachrichtenagenturen gelten allgemein als gut informiert - manchmal sogar als zu gut: Als Litauen 1940 in die Sowjetunion 'aufgenommen' werden soll, findet eine zweitägige Volksabstimmung statt. Doch schon am ersten Tag verkündet die sowjetische Nachrichtenagentur "Telegrafnoje Agentstwo Sowjetskowo Sojusa" ( TASS) das Abstimmungsergebnis. Erstaunlicherweise stimmt die TASS-Meldung mit dem erst am nächsten Tag ermittelten Wahlergebnis überein.Etwas länger braucht die Agentur für Meldungen, die offiziell lieber verschwiegen würden. Im Juli 1953 berichtet sie von einem "Plenum der Kommunistischen Partei der Sowjetunion", das "dieser Tage" stattgefunden habe. Die eigentliche Nachricht, dass der Geheimdienst-Chef Lawrenti Berija als "Feind des Sowjetvolkes" ausgemacht und entmachtet worden sei, wird in langen, verschachtelten Sätzen versteckt. Auch die Nachricht über die Explosion im Atomkraftwerk Tschernobyl am 26. April 1986 meldet die TASS erst mit dreitägiger Verzögerung.
Der Grund für diese Informationspolitik liegt in der Funktion von TASS: Sie ist zuständig für die offiziellen Verlautbarungen aus dem Kreml. Ihre Meldungen beginnen jeweils mit der Formel: "TASS ist ermächtigt zu erklären..." Bereits die Vorgängerin von TASS ist regierungsabhängig: Die "Russische Telegrafenagentur" ROSTA war ab 1918 gleichermaßen für Information und Agitation zuständig. Um trotz Analphabetismus möglichst viele Menschen zu erreichen, wurden die "ROSTA-Fenster" erfunden: künstlerisch gestaltete Propaganda-Plakate mit wenig Text. Am 10. Juli 1925 wird die TASS gegründet. Sie ist direkt dem Rat der Volkskommissare unterstellt und hat das alleinige Recht, in der Sowjetunion Nachrichten zu sammeln und zu verbreiten. Die Zentrale in Moskau lenkt die Agenturen in den Republiken. 1934 erhält die Agentur auch das exklusive Recht, sowjetische Meldungen weltweit zu verbreiten. Mit der Auflösung der UdSSR beginnt allerdings eine neuen Ära: Seit 1992 arbeitet die staatliche Agentur unter dem Namen ITAR-TASS.
Stand: 10.07.05