Stichtag

23. Juni 2005 - Vor 85 Jahren: Abschaffung der Adelsprivilegien in Preußen

Ob Hochzeiten, Nachwuchs, Scheidungen oder Trauerfeiern - wenn sich in den europäischen Königshäusern etwas tut, verfolgen das in Deutschland Millionen Menschen. Dabei sind die Deutschen doch Republikaner. Und der Adel gilt als abgeschafft. Eine mögliche Erklärung gibt Heinrich Heine: "Gott, der Teufel und der Adel existieren nur dann, wenn man an sie glaubt." Das Wort "Adel" kommt aus dem Althochdeutschen und bedeutet Geschlecht oder Abstammung. Zu den alten Adelsvorrechten gehören Steuerfreiheit, gutsherrliche Gerichtsbarkeit, Recht auf bäuerliche Frondienste und Bevorzugung im Staatsdienst.Diese Rechte werden dem Adel bereits in den Revolutionsjahren 1789 und 1848 zum größten Teil aberkannt. Als 1918 der oberste deutsche Adelige, Kaiser Wilhelm II., abdankt, stehen auch Vorrechte wie die Befreiung von Wehrpflicht und Steuern auf der Kippe. 1919 wird schließlich in der Weimarer Verfassung festgeschrieben: "Alle Deutschen sind vor dem Gesetz gleich." Die Länder haben zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt die letzten Privilegien aufgehoben werden. In Preußen geschieht das am 23. Juni 1920. Die Adelstitel sind damit nur noch Namensbestandteile.

Doch der Adel bleibt bis in der Weimarer Republik präsent: Auf dem Weg an die Macht erhält Adolf Hitler Unterstützung auch aus Adelskreisen - erklärt der Historiker Stephan Malinowski. Dem Adel sei der Nationalsozialismus als Gräuel erschienen. Aber: "Man glaubt, Hitler sei zwar ein Massenredner und ein Demagoge, letztlich aber eine Figur, die man steuern könne." Manche hätten gedacht, "diese Bewegung wie ein Ross reiten zu können". Erst nach dem Zweiten Weltkrieg geschieht, was Verfassungen und Landesverfügungen wie in Preußen nicht zustande gebracht haben: Der Adel verschwindet weitgehend aus der Politik. Es gibt keine Bismarcks, Hindenburgs oder von Papens mehr. Dass die Nazizeit den Ruf des Adels nicht geschädigt hat, scheint mit dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 zusammenzuhängen. Die Hälfte der Männer, die den "Führer" töten wollten, sind adelig gewesen. Historiker Malinowski spricht von einer "Kultur",  die der Adel während Jahrhunderten entwickelt habe: "Stets den gerade in die Zeitströmung passenden Menschen nach vorne zu stellen und ihn symbolisch aufzubauen", nach dem Motto: "so wie er sind wir". Das habe mit Graf von Stauffenberg und seinen Männern "genauso funktioniert".


Stand: 23.06.05