Don Quichotte will Ritter werden. Wie das geht, hat der verarmte Adelige auf seinem Landsitz in La Mancha in unzähligen Trivialromanen nachgelesen. Dass die Zeit der Ritter im Spanien des 17. Jahrhunderts schon lang vorbei ist, stört den verwirrten Helden wenig. Die Lektüre hat ihm vollends den Kopf verdreht. Mit einem klapprigen Ackergaul nebst einer Barbierschüssel als Ritterhelm und seinem Gehilfen Sancho Pansa zieht er ins Abenteuer. Was folgt, ist Weltliteratur, geschrieben vom spanischen Autor Miguel de Cervantes: Auf dem Weg zum Herzen seiner Dame Dulcinea kämpft Don Quichotte gegen Windmühlen, die er für Riesen hält. Er trifft auf vermeintlichen Räuber, verzauberten Prinzen und feindiche Ritter, die in Wirklichkeit zumeist einfache spanische Bauern sind. Dass er bei seinen Abenteuern zumeist Prügel und blaue Flecken bezieht, holt ihn nicht auf den Boden der Tatsachen zurück.Don Quichottes Ritter, Riesen und Burgfräuleins sind reine Kopfgeburten, denen die Realität nichts anhaben kann. Wo die Realität dieser Phantasie ein Schnippchen schlägt und ein Bauer darauf besteht, ein Bauer und kein Edelmann zu sein, werden schnell Argumente gefunden, um alles wieder im Sinn des Ritterabenteuers ins Lot zu bringen. "Don Quichotte lässt nichts gelten, was seinem Weltbild nicht entspricht", sagt der Münsteraner Cervantes-Biograph Christoph Strosetzki. "Wenn etwas nicht so ist, wie es eigentlich nach seiner Sicht sein müsste, dann holt er sich einen bösen Zauberer oder ein anderes Wesen, das eben die Dinge so entstellt hat, das sie nicht seinen Erwartungen entsprechen, zur Hilfe. Sein System funktioniert". So erklären Psychologen noch heute den Wahnsinn.
Als Cervantes am 20. Dezember 1605 den ersten Teil seines "Don Quichotte" veröffentlicht, erobern die Abenteuer des sympathischen Phantasten mit dem unheilbaren Lektüreschaden die reale Welt. So berühmt wird das Buch, dass ein fremder Autor eine Fortsetzung auf den Markt bringt. Um seine Geschichte nicht an einen anderen zu verlieren, veröffentlicht Cervantes 1615 selbst einen zweiten Teil. Am Ende lässt er Don Quichotte sterben. Keiner soll auf den Gedanken kommen, neue Abenteuer zu erfinden. Das "System Don Quichotte" ist ein für alle mal geschlossen.
Stand: 20.12.05