Die Schildkröten haben den Groove. Das fühlt George Gershwin, als er in einer kargen Holzhütte in den Sümpfen der Südstaaten sitzt. "Es steckt Musik in den Schildkröten", sagt der 35-jährige Komponist, der bereits auf 27 Musicals sowie auf sechs große Orchesterwerke zurückblicken kann. "Im Legen ihrer Eier ist Rhythmus: Erst eins, dann zwei, dann eins und zwei zugleich." Eigentlich ist Gershwin den Luxus teurer Hotels gewöhnt. Aber er ist zu den Schildkröten in den Süden der USA gekommen, um an einem klapprigen Klavier eine Oper über die Welt der Schwarzen zu komponieren. In den Nachbarhütten findet der Musiker den nötigen Stoff.Nach 20 Monaten harter Arbeit ist Gershwins Oper fertig. Sie erzählt die traurige Geschichte vom schwarzen Krüppel Porgy, der im Ghetto von Charleston als Bettler sein Dasein fristet und aus Liebe zur Mörderbraut Bess selbst zum Mörder wird. Zu den inzwischen weltberühmten Songs wie "Summertime", "I got plenty of nuttin'" oder "It ain't necessarily so" schreibt Gershwins Bruder Ira die Texte. Am Libretto wirkt auch der Schriftsteller DuBose Heyward mit, dessen Novelle "Porgy" die Grundlage der Handlung bildet. Bei den ersten Proben zu "Porgy and Bess" wird Gershwin die Musik später so wunderbar finden, "dass ich gar nicht glauben kann, dass ich sie selbst geschrieben habe".
Am 30. September 1935 wird "Porgy and Bess" am Colonial Theatre in Boston uraufgeführt. Für die geeignete Besetzung mit farbigen Sängern ist Gershwin im ganzen Land herumgereist. Auch die Metropolitan Opera in New York hatte Interesse signalisiert. Aber der elitäre Musentempel wollte die Rollen mit schwarz geschminkten Weißen besetzen. Das Publikum ist begeistert. Nur die Kritiker verreißen "Porgy and Bess" als "verballhornte Folklore". Trotz 124 Vorstellungen wird das Unternehmen zum Verlustgeschäft. Erst in den vierziger Jahren avanciert es zum Kassenschlager. Im Auftrag des amerikanischen Außenministerium erobert die "Oper der neuen Welt" in den fünfziger Jahren schließlich auch die Bühnen der alten. Diesen Erfolg indes darf Gershwin nicht mehr erleben. Er stirbt 1937 im Alter von 38 Jahren in Hollywood an einem Hirntumor.
Stand: 30.09.05