Dass der Ex-Telekomchef Ron Sommer die Volksaktie erfunden habe, ist ein Irrtum: Der Begriff entsteht lange vor der T-Aktie. 1965 braucht die Bundesregierung Geld für die Modernisierung des Stromnetzes und von Zechen. Deshalb privatisiert sie die bislang staatliche "Vereinigte Elektrizitäts- und Bergwerks AG" (VEBA), die das Land Preußen 1929 gegründet hatte. Privatisierungen der Großindustrie liegen im Trend: 1959 verkauft der Bund die VEBA-Tochter Preussag, 1961 folgt Volkswagen. Der Börsengang der VEBA wird in der Öffentlichkeit als Auftakt zu einer breiten Vermögensbildung für kleine Leute dargestellt. Die Deutschen sollen sich am Unternehmenskapital beteiligen. Deshalb heißen die Wertpapiere der VEBA "Volksaktien".Am 24. Mai 1965 beginnt die Zeichnungsfrist. Eine Aktie kostet 210 Mark. Fünf Aktien darf der Kleinanleger zeichnen. Über 20.000 Bürger tun das. Dennoch werden die Deutschen kein Volk von Börsianern: Bis heute besitzen nur 16 Prozent der Erwachsenen Aktien und Wertpapier-Fonds, in Skandinavien oder den USA sind es etwa 50 Prozent. Börsen-Fieber und -Absturz in den 90er Jahren haben die deutsche Zurückhaltung bei Geldanlagen mit Risiko eher noch verstärkt.
Auch bei der VEBA-Aktie gibt es zunächst Enttäuschung: Innerhalb eines Jahres rutscht das Papier unter seinen Ausgabekurs auf 187 Mark. Die erste Hauptversammlung der VEBA-Aktionäre bringt viel Ärger. Auf lange Sicht sieht es anders aus: Wer 1965 für 1.050 Mark seine fünf Anteile kaufte, hat daraus bis heute rund 6.500 Euro gemacht und etwa 3.000 Euro Dividende erhalten. Heute ist der Aktionär an der Eon beteiligt, die 1999 aus der Fusion von VEBA und VIAG entstand.
Stand: 24.05.05