1865 versinkt Berlin im Chaos. Kutschen lärmen, Reiter und Fußgänger verstopfen die Verkehrsadern der explodierenden Metropole. Keine Chance für Postkuriere, die immer größer werdende Berge von Nachrichten möglichst schnell von einem Ort zum andern bringen sollen. Die Lösung kann nur im Himmel oder unter der Erde liegen. So entscheidet sich die Stadt für ein Kommunikationssystem, das Briefe und Karten in zylindrischen Behältern mittels Druck- und Saugluft unterirdisch durch Röhren jagt. Die Erfindung hat man sich von London abgekuckt. Dort funktioniert es seit 1859.Am 18. November 1865 eröffnet die preußische Post ihre erste pneumatische Versuchsstrecke vom Berliner Haupttelegrafenamt zur Börse. Die knapp zwei Kilometer legen die Nachrichten nun quasi in Echtzeit zurück. Maximal 30 Stundenkilometer sind sie schnell. Das Höchstgewicht der Sendung wird auf zehn Gramm festgelegt, Siegellack und zerbrechliche Inhalte sind verboten. Vor allem Telegramme flitzen "mit beschleunigter Geschwindigkeit an den Adressaten". Bis ins Jahr 1940 wird die Berliner Rohrpoststrecke auf rund 400 Kilometer ausgebaut. 79 Post- und Telegrafenämter sind nun angeschlossen. Vor allem im 2. Weltkrieg kommen Nachrichten auf speziellen Brief- und Postkartenvordrucken trotz Bomben- und Granatendonner an. Bis 1976 bleibt die Berliner Rohrpost in Betrieb.
Von der neuen Technik allerdings merken die meisten eher wenig. Denn den Weg bis zur Haustür muss immer noch vom Postboten zurückgelegt werden. Nur das "Resi-Casino" im Berliner Stadtteil Hasenheide ist von Beginn an High-Tech-Standort Nummer eins. Dort können die Kavaliere den Damen ihres Herzens schon zum Ende des 19. Jahrhunderts Liebesbriefe durch die hausinterne Rohrpost direkt von Tisch zu Tisch schicken. Jeder Platz ist mit jedem vernetzt.
Stand: 18.11.05