"Naturtalent", "Senkrechtstarter", "Wunderkind". Die internationale Sportpresse jubelt in den höchsten Tönen, als 1970 ein 23-jähriger Nobody aus Brasilien den Formel-1-Zirkus aufmischt. Bereits bei seinem vierten Start holt er sich im amerikanischen Watkins Glen den ersten Grand-Prix-Titel. Und macht damit den zuvor in Monza tödlich verunglückten Teamkollegen Jochen Rindt posthum zum Weltmeister. Nur die wenigsten wissen, dass dieser wie aus dem Nichts aufgetauchte Emerson Fittipaldi, geboren am 12. Dezember 1946 in Sao Paulo, schon als Kind dem Rennsport verfallen ist. Sein Vater Wilson übertrug als Rundfunkreporter alle Siege des großen Juan Manuel Fangio nach Brasilien, während Klein Emerson gebannt vor dem Radio hockte. Mit 15 Jahren fährt er seine ersten Rennen, zuerst auf dem Motorrad, dann im Kart-Sport und schließlich ab 1969 in der Formel 3: elf Rennen, neun Siege.In England wird Lotus-Teamchef Colin Chapman auf das ungewöhnliche Talent aufmerksam. Er nimmt Fittipaldi unter Vertrag und legt damit den Grundstein zur Blitzkarriere des jungen Brasilianers mit den auffallend breiten Koteletten. Schon in seiner ersten Saison 1970 lehrt der Newcomer Weltklassepiloten wie Jackie Stewart und Clay Regazzoni das Fürchten und steigt nach Rindts Tod zur Nummer eins bei Lotus auf. Nur zwei Jahre später erreicht Emerson Fittipaldi das Ziel seiner Träume. Nach Siegen in Spanien, Belgien, England, Österreich und Italien wird er Weltmeister, der jüngste der Formel-1-Geschichte. Als er diesen Triumph 1974 auf einem McLaren wiederholen kann, steigt er in seiner Heimat Brasilien endgültig zum Nationalhelden auf.
Das Ende seiner Formel-1-Karriere läutet Fittipaldi selbst mit einem folgenschweren Entschluss ein: "Ich will als Brasilianer mit einem brasilianischen Rennwagen Weltmeister werden." Gesponsert von der heimischen Zuckerindustrie, wechselt Fittipaldi für etliche Millionen Dollar zum Copersucarteam seines Bruders Wilson. Doch dessen klobige Rennwagen sind der Konkurrenz nicht gewachsen. Entnervt gibt der zweimalige Weltmeister 1980 auf. Nur um kurz darauf in der amerikanischen ChampCar-Serie eine zweite Karriere zu starten. Neben vielen anderen Siegen gewinnt "Emmo" 1989 und 1993 die "500 Meilen von Indianapolis". 1996 prallt der inzwischen sechsfache Familienvater bei den "Michigan 500 " frontal gegen eine Betonmauer und überlebt nur knapp. Nach zwei Comeback-Versuchen und einem Flugzeugabsturz erklärt Emerson Fittipaldi im Oktober 1997 seinen endgültigen Rücktritt vom Rennsport. Als erfolgreicher Geschäftsmann produziert der Brasilianer heute unter anderem exklusive Zigarren.
Stand: 12.12.06