Das Projekt beginnt mit einer Zeitungsanzeige: Anfang 2001 sucht das amerikanische Unternehmen Advanced Cell Technology (ACT) in der Umgebung von Boston nach Eizellspenderinnen. Die Firma hat ihren Sitz in Worcester im US-Bundesstaat Massachusetts. Sieben Frauen im Alter zwischen 24 und 32 Jahren werden ausgewählt. Sie müssen sich einer aufwändigen Hormontherapie und einer Operation unterziehen. Auf diese Weise gewinnen die ACT-Forscher Eizellen. Ab Juli 2001 versuchen die Wissenschaftler, menschliche Embryozellen nach dem Verfahren herzustellen, mit dem auch das schottische Schaf Dolly erzeugt worden ist. "Sie haben eine menschliche Eizelle genommen, den Zellkern aus dieser Eizelle heraus operiert und stattdessen den Zellkern einer menschlichen Körperzelle eingefügt", erklärt Professor Thomas Heinemann. Der Mediziner und Philosoph arbeitet am Institut für Wissenschaft und Ethik (IWE) an der Universität Bonn.
Am 25. November 2001 behaupten die ACT-Forscher in der Online-Fachpublikation "Journal of Regenerative Medicine ", sie hätten zum ersten Mal einen menschlichen Embryo geklont, also die identische Kopie eines Menschen hergestellt. Wer mit einem kleinen Baby gerechnet hat, wird allerdings enttäuscht. Soweit wie bei Dolly sind die Forscher nicht gekommen. Die Eizelle hat sich nur wenige Male geteilt, dann wuchs der kleine Zellhaufen nicht weiter. Trotzdem erklären die US-Wissenschaftler sich zum Sieger im Wettlauf um den ersten menschlichen Klon. Sie stehen unter Zeitdruck, denn ihnen droht das Verbot ihrer Forschung. Nur wenige Monate zuvor, im Juli 2001, hat sich George W. Bush gegen jegliche Form des Klonens ausgesprochen und die öffentliche Förderung dieser Art der Forschung eingestellt. Kurz darauf hat das Repräsentantenhaus ein Klon-Verbot beschlossen. Die Zustimmung des Senats fehlt zu diesem Zeitpunkt allerdings noch. Die Forscher kommen deshalb der Politik zuvor und veröffentlichen medienwirksam ihre Arbeit.
"Kein reproduktives, sondern therapeutisches Klonen"
Die Nachricht ruft bei Politikern, Ärzteverbänden und Kirchen weltweit heftige Reaktionen hervor: Für die einen ist der Klonversuch mit menschlichen Zellen ein Tabubruch, für die anderen handelt es sich dabei um wegweisende Forschung. ACT-Geschäftsführer Michael West verteidigt sich in einem Fernsehinterview: Die Experimente dienten nicht der Erzeugung menschlichen Lebens. Man wolle keine Embryonen herstellen, sondern lediglich Stammzellen gewinnen, um mit ihnen neue medizinische Therapien zu entwickeln. Mit dem so genannten therapeutischen Klonen könnten möglicherweise Diabetes, Alzheimer und Parkinson behandelt werden. Reproduktives Klonen - bei dem man den geklonten Embryo in eine Gebärmutter einsetzen müsste, um einen Menschen zu schaffen - sei kein Ziel von ACT.
In Deutschland heizt die Klon-Meldung die gesellschaftliche Debatte um das Embryonenschutzgesetz von 1990 an. Darin sind sowohl das therapeutische wie auch das reproduktive Klonen verboten. Das Gesetz legt zudem fest, dass hierzulande keine Embryonen zerstört werden dürfen: "Genau das muss man aber. Man muss menschliche Embryonen vernichten, um embryonale Stammzellen-Linien herzustellen", erklärt Prof. Heinemann. Um deutschen Forschern dennoch das Arbeiten mit embryonalen Stammzellen zu ermöglichen, verabschiedet der Bundestag das Stammzellen-Gesetz. Demnach dürfen embryonale Stammzellen aus dem Ausland eingeführt werden, wenn sie vor dem 1. Januar 2002 gewonnen worden sind. Diese Stichtagsregelung soll sicherstellen, dass für die deutsche Forschung keine neuen Embryonen getötet werden. Der Forscher, der im Dezember 2002 die erste Erlaubnis erhält, ist der Bonner Gehirnforscher Oliver Brüstle. Bisher hat es allerdings keine Forschergruppe geschafft, geklonte embryonale Stammzellen zu züchten. Die Wissenschaftler versuchen derzeit, die Zellsysteme überhaupt zu verstehen, sagt Prof. Heinemann: "Die therapeutischen Perspektiven, die da immer hinein gelesen werden, sollte man im Moment nur ganz zurückhaltend benennen."
Stand: 25.11.06