Das Verhältnis zu seinen Eltern ist gestört. Seit seiner Geburt am 27. Januar 1859 im Berliner Kronprinzenpalais ist der linke Arm von Friedrich Wilhelm gelähmt und verkürzt. Seine Mutter, die britische Prinzessin Victoria und Tochter von Queen Victoria, lehnt ihn ab, weil sie die Behinderung ihres Sohnes nicht ertragen kann - wie Sigmund Freud später diagnostiziert. Auch die Beziehung zu seinem Vater, Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen, bleibt distanziert. Dieser beklagt die "Herzenskälte" und "Gefühllosigkeit" seines Sohnes. Die Erziehung übernimmt der Kalvinist Georg Hinzpeter. Sein Urteil: "Zum Repräsentanten taugt er, sonst kann er nichts (...) Er hätte Maschinenschlosser werden sollen."1888 wird Wilhelm mit 29 Jahren Kaiser. Ein unsicherer junger Mann, der seinen verkrüppelten Arm hinter dem Rücken versteckt, dafür aber umso schneidiger auftritt. Er besitzt etwa 300 verschiedene Uniformen. Wilhelm II. verkündet seinen Untertanen eine leuchtende Zukunft: "Zu Großem sind wir noch bestimmt, und herrlichen Tagen führe ich Euch noch entgegen." Weil er glaubt, alles besser zu können, drängt Wilhelm II. Reichskanzler Otto von Bismarck aus dem Amt. Außenpolitisch bringt der Kaiser nicht nur die Russen und Franzosen gegen sich auf, sondern leistet sich auch mit den Briten ein Wettrüsten zur See. Als Deutschland 1914 Österreich in seinem Konflikt mit Serbien beispringt, hat Wilhelm II. sofort die gesamten europäischen Großmächte gegen sich. Statt zu fragen, warum Deutschland isoliert ist und wie das geändert werden könnte, sucht der Kaiser die Schuld bei anderen: "Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. (...) Darum auf zu den Waffen!" Tapfer soll er sein, der deutsche Soldat: "Wir werden uns wehren bis zum letzten Hauch von Mann und Ross." Im Ersten Weltkrieg sterben rund 15 Millionen Menschen.
Als bei Kriegsende in Berlin die Republik ausgerufen wird, beantragt Wilhelm II. Asyl in den Niederlanden, die im Krieg neutral waren. Er lässt sich im Haus Doorn in der Provinz Utrecht nieder. Weil er sich als Kaiser von Gottes Gnaden betrachtet, benimmt er sich weiterhin wie ein Kaiser. Auch in seinem neuen Reich von 60 Hektar lässt er sich mit "Seine Majestät" ansprechen. Er fällt Bäume, sammelt Wetterdaten und hält Hof. Bei der täglichen Morgenandacht tritt sein Antisemitismus zu Tage: Er liest nur aus dem Neuen Testament, weil das Alte Testament von Juden geschrieben wurde. Als die Wehrmacht 1940 Frankreich, Belgien und die Niederlande erobert, schickt Wilhelm II. ein Glückwunschtelegramm an Adolf Hitler. Der Kaiser im Taschenformat hofft, die Nazis würden ihn wieder einsetzen. Doch die Nazis sind nicht mehr auf Monarchisten angwiesen. Wilhelm stirbt am 4. Juni 1941 im Exil im Alter von 82 Jahren an einer Lungenembolie. Das Haus Doorn ist heute ein Museum. Zu besichtigen sind unter anderem des Kaisers Pantoffeln, sein Morgenmantel und sein Kunstgebiss im Nachttischschränkchen.
Stand: 04.06.06